30.10.2020

Der ungeplante Umweg (13)

Nordmazedonien und Bulgarien: Unsere Reise vom Ohridsee bis an die griechische Grenze

Gleich nach dem Grenzübergang von Albanien nach Nordmazedonien wäre das Kloster Sveti Naum, eines der touristischen Highlights der Gegend, auf dem Programm gestanden, aber leider war der Nachmittag schon zu weit fortgeschritten und wir wollten noch etwas vorwärtskommen, somit verzichteten wir auf einen Besuch. Die ersten Kilometer in Nordmazedonien dem Ohridsee entlang führten uns durch den Galičica-Nationalpark. Die wunderbare Landschaft dieses Nationalparks gepaart mit den dunklen Regenwolken, welche über den See zogen, erzeugten eine fast schon mystische Stimmung. Was für ein Anfang in einem Land, welches nie auf unserer geplanten Route lag, und welches wir nur bereisen, weil Griechenland uns mit seiner restriktiven Einreisebestimmung dazu zwingt.

Regenwolken über dem Ohridsee
Regenwolken über dem Ohridsee

Eigentlich hatten wir geplant ganz im Süden von Albanien nach Griechenland weiter zu reisen. Wir wollten in der Umgebung der Vikos-Schlucht wandern gehen und dann der Küste entlang nach Süden reisen, um von Piräus die Fähre nach Rhodos zu nehmen. Dort hatten wir Mitte Oktober mit Lisas Eltern abgemacht, um ein paar Tage Urlaub zu verbringen. Danach war geplant, auf das türkische Festland über zu setzen und die lykische Küste zu erkunden. Ein guter und spannender Plan, aber leider mussten wir diesen nun anpassen.

Wir haben in Albanien erfahren, dass für Touristen nur noch eine Landgrenze nach Griechenland geöffnet war, und zwar der Grenzposten Promachonas im Süden Bulgariens. Ausserdem hat die Türkei alle Fährverbindungen zu den griechischen Inseln eingestellt. Somit ist die einzige Möglichkeit, in die Türkei zu reisen die Landgrenze in der Nähe von Edirne ganz im Nordwesten der Türkei. Das führte nun dazu, dass wir im albanischen Berat in Richtung Ohridsee abbogen, anstatt noch die albanische Riviera und Gjirokastra zu besuchen. Anschliessend hatten wir vor, den Süden von Nordmazedonien zu durchqueren, um im bulgarischen Petrich den vorgeschriebenen Covid-Test zu machen. Mit dem negativen Test wäre es uns dann möglich, die einzige offene Grenze nach Griechenland zu passieren. Da nun in der Zwischenzeit die Eltern von Lisa ihre Reise nach Rhodos schon gebucht hatten und wir sie unbedingt sehen wollten, war unsere einzige Möglichkeit, einen Flug von Thessaloniki nach Rhodos zu buchen. Covid zwang uns zu fliegen, was wir eigentlich möglichst meiden wollten. Soviel zu unseren Planänderungen.

Altstadt von Ohrid
Altstadt von Ohrid

Durch den gebuchten Flug hatten wir zeitlich einen gewissen Druck, vorwärts zu kommen. Zeit, die uns fehlte, um das Kloster Sveti Naum, wie weiter oben schon erwähnt, zu besuchen, oder welche wir uns am zweiten Tag in Nordmazedonien zu wenig nahmen, um die Stadt Ohrid angemessen zu besichtigen. Wir hätten da mindestens eine der vielen Kirchen anschauen sollen, aber einen kurzen Stadtbummel mit dem Fahrrad und eine Frühstückspause war alles, was wir erübrigen konnten. Aber auch so haben wir bemerkt, weshalb Ohrid wie auch der Ohridsee, einer der ältesten Seen der Welt übrigens, als das touristische Highlight Nordmazedoniens gelten; es ist wunderschön dort und wir hätten sehr gerne mehr Zeit hier verbracht. In Ohrid spürten wir auch einen Hauch Orient, als Lisa ihren geliebten türkischen Sesamkringel Simit in der Bäckerei entdeckte. Dieser würde uns nun in Mazedonien und auch Griechenland begleiten und zum Frühstück mit dazugehören. Denn auch in Thessaloniki ist dieses Gebäck, dort Kolouri genannt, sehr beliebt und überall zu haben. Wir merken, wir bewegen uns immer weiter in den Osten und immer weiter weg von Baden. Ein besonderes Gefühl. Immer wieder staunen wir ab den kleinen Unterschieden zwischen den Ländern und auch Nordmazedonien bot uns eine Neuentdeckung.

Moschee und Kirche nahe beieinander im Zentrum von Ohrid
Moschee und Kirche nahe beieinander im Zentrum von Ohrid

Eine unerwartete mazedonische Eigenheit

Im Zentrum von Ohrid sahen und hörten wir ein Gefährt, das wir so noch nie gesehen haben. Es wirkte wie ein selbstgebasteltes Auto ohne jegliche Verschalung, mit nur vier Rädern, einem offenen, knatternden Motor, einer Sitzbank für zwei Personen und einem Steuerrad. Wenig später wurde uns der Zweck dieses Gefährts auch bewusst, als wir es in einer Einfahrt zu einem Haus stehen sahen: eigentlich war es nur eine fahrende Kreissäge und die auf dem Gefährt montierte Tischkreissäge war uns vorher noch nicht aufgefallen. Sehr skurril das Ganze. In den folgenden Tagen machten wir die Entdeckung, dass dieses Gefährt kein Einzelstück eines Bastlers war; sie waren in ganz Nordmazedonien weit verbreitet anzutreffen, teilweise sogar in ganzen Rudeln am Strassenrand. Dort warteten sie dann wie Taxis auf einen Auftrag. In Nordmazedonien gibt es wohl viel mehr zu sägen als in den umliegenden Ländern.

Diese besonderen Fahrzeuge haben wir nur in Nordmazedonien bisher gesehen
Diese besonderen Fahrzeuge haben wir nur in Nordmazedonien bisher gesehen

Kurz nach Ohrid führte unsere Route uns durch ein malerisches Tal hoch zu einem Pass. Leider hatte es doch einige Lastwagen unterwegs, so dass wir diesen Abschnitt nicht ganz so fest geniessen konnten. Viele davon waren Kehrichtwagen, so waren wir nicht erstaunt, als wir kurz vor dem Pass eine Mülldeponie passierten, nur etwas erstaunt über diese doch spezielle Lage. Nach einer rasanten Abfahrt kamen wir in die Kleinstadt Resen, dem Apfelmekka dieser Region. Es hatte nur Apfelplantagen rund um das Dorf, am Strassenrand versuchte jeder seine Äpfel zu verkaufen, anderes hatte man nur selten im Angebot. Nach einem weiteren kleinen Pass fuhren wir für eine Weile in einem wunderschönen Tal. So viel Natur ohne Zivilisation hatten wir schon länger nicht mehr erlebt. Dies gilt aber grundsätzlich für ganz Nordmazedonien, welches bei weitem nicht so dicht besiedelt scheint wie die vorherigen Länder.

Slowfood auf Mazedonisch

Das Tagesziel war ein Slowfood-Agriturismo, die Villa Dihovo kurz vor Bitola. Diesen Tipp haben wir von einem britischen Reisenden erhalten, welchen wir auf der Rückreise von Theth in den albanischen Alpen getroffen haben. Der Besitzer Pece arbeitete als Fussballtrainer in Dänemark und kam dann wieder zurück nach Mazedonien (er vermisste die Sonne) und bietet nun neben einigen traditionellen Zimmern auch Kochkurse oder Ausflüge zu lokalen Produzenten an. Wir haben uns gleich wohlgefühlt. Das Essen war vorzüglich, wohl die beste Mahlzeit seit Monaten und dazu gab es hofeigenen Wein und selbstgebrautes Bier. Wir waren unerwartet im Foodie-Paradies gelandet. Erst später realisierten wir, dass dieser Ort auf Lonely Planet als einer der «Secret Places of Europe» ziemlich gelobt wird. Es gab eine Kürbiscremsuppe und hausgemachte Teigwaren mit getrockneten Tomaten, dies aber so genial fein, dass wir gar nicht genug kriegen konnten.  Beim Essen haben sie das Konzept, dass man nur das bezahlt, was man für angemessen hält, einzig der Wein hat einen vorgegebenen Preis. Das führte dazu, dass wir den halben Abend darüber mit den einzigen anderen Gästen diskutierten, einem amerikanischen Pärchen. Sie übernachten in Bitola, haben aber von dem tollen Essen hier gehört und kurzentschlossen die 10 km mit dem Mietauto zurückgelegt. Am nächsten Tag wollten sie dann bis nach Gjirokastra weiterreisen. Wir waren total erstaunt, da dieser weite Weg für uns fast einer einwöchigen Fahrradreise entspricht. Schon komisch für uns, so eine grosse Strecke in einem Tag zurück zu legen, da hat man doch gar nicht die Zeit, um alle kleinen Unterschiede der Landschaft und der Kultur wahr zu nehmen. Aber da sind wohl eher wir die Ausnahme. Sie erzählten uns auch, weshalb aktuell relativ viele Amerikaner im Südbalkan am Reisen waren, dies schlicht deshalb, da man aus den USA nur noch in sehr wenige Ländern einreisen konnte, darunter Nordmazedonien und Albanien. Somit haben die ganzen Einschränkungen doch etwas Positives und diese eher unbekannten Reiseländer erhalten dadurch eine unerwartete Nachfrage.

Nach einem Kurzbesuch in der Stadt Bitola ging es auf einer kargen Hochebene weiter. Das dürre Gras der umliegenden Hügel, gepaart mit dem Licht-Schatten-Spiel der Wolken ergaben eindrückliche Ausblicke, manchmal verziert mit einer Schafherde. Unterwegs trafen wir einen polnischen Wanderer, der seit 3 Monaten unterwegs ist, ohne Zelt und viel Gepäck. Wir gaben dem älteren Mann unseren Mittagsproviant, da der nächste Ort doch noch einige Kilometer entfernt lag. Wir haben grossen Respekt vor seinen Plänen. Zu Fuss ist man irgendwie doch noch mehr allem ausgesetzt als mit dem Fahrrad.

Fussgängerzone von Bitola
Fussgängerzone von Bitola
Auf der Ebene zwischen Bitola und Prilep
Auf der Ebene zwischen Bitola und Prilep

Später am Tag kamen wir immer wieder an Feldern vorbei, auf denen uns unbekannte Pflanzen wuchsen. Erst als wir durch Prilep fuhren, wurde uns klar, dass das wohl Tabakfelder gewesen waren. Prilep gilt als die Tabakmetropole Nordmazedoniens, gefühlt in jedem Vorgarten sind Tabakblätter zum Trocknen aufgehängt. Und wir sind beide stolz darauf, dass Dario der Versuchung des Tabaks widerstanden hat; denn seit mehr als zwei Monaten ist er rauchfrei, Bravo!

Überall wurde Tabak getrocknet in Prilep
Überall wurde Tabak getrocknet in Prilep

Kurz nach dem Pass hinter Prilep suchten wir einen Platz zum Zelten und haben bei unserer Wahl kein glückliches Händchen gehabt. Denn Lisa beklagte sich am nächsten Morgen über etliche «Mückenstiche», die sich mit der Zeit als Grasmilbenbisse entpuppten und höllisch juckten. Sie musste die nächsten Tage doch sehr leiden, darüber aber später mehr.

Am vierten Tag in Nordmazedonien kamen wir vor der Provinzstadt Kavadarci in eine Gegend, wo überall Trauben angepflanzt wurden. Dies aber nicht so wie bei uns, wo jeder Winzer seine Reben anbaut. Sondern jeder Traubenbauer fährt mit seinen Trauben zu einem Sammelplatz, wo diese dann in grosse LKWs verladen werden. Wohin die Trauben dann gebracht werden, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir nehmen an in eine grosse Weinfabrik oder so ähnlich. Man erinnere sich: am zweiten Tag kamen wir in eine Gegend voller Äpfel, am dritten in eine Tabakregion und jetzt durch eine Traubenregion. So absolut hatten wir das noch in keinem anderen Land erlebt, kommt es wirklich nur daher, dass die Anbauvoraussetzungen von Region zu Region so sehr variieren, oder sind das noch Überbleibsel der Planwirtschaft aus der kommunistischen Zeit Jugoslawiens?

Stau bei den Traubenbauern
Stau bei den Traubenbauern

Und weiter ging es Richtung Osten, immer näher nach Bulgarien. Am Abend des fünften Tages kamen wir nach Strumica. Wegen den juckenden Stichen von Lisa hatten wir uns entschieden, da ein Hotel zu nehmen, das Beste der Stadt, wobei es nur eine sehr kleine Auswahl gab. Oberflächlich gesehen mit viel Pomp im Stadtpark gelegen und mit neuster Technik, aber wir merkten schnell, dass die Qualität dem Versprechen nicht standhalten konnte. In unserem ersten Zimmer heizte die Klimaanlage das Zimmer auf wohlige 30 Grad, ohne dass man die Klimaanlage ab- oder umstellen konnte, dann hatten wir kein warmes Wasser und auch das Frühstück war eine Katastrophe. Dann doch irgendwie lieber im Zelt übernachten.

Schöne Landschaft auf dem Weg nach Strumica
Schöne Landschaft auf dem Weg nach Strumica

Von Strumica war es nicht mehr weit bis nach Bulgarien. Das Passieren der Grenze war eigentlich kein Problem, wenn wir nicht durch eine Desinfektionsdusche hätten fahren müssen. Danke dafür. Nach weiteren 20 km erreichten wir bereits Petrich. Und das pünktlich wie geplant am Sonntagnachmittag, um gleich am Montagmorgen den Covid-Test (EUR 50.- pro Person) im örtlichen Spital durchzuführen. Das Spital in Petrich war natürlich gar nicht so, wie man es aus der Schweiz kennt. In den Fluren waren überall Menschen am Warten vor den Türen, bis sie zum jeweiligen Arzt vorgelassen wurden. Wir hatten Glück und mussten nicht anstehen. Das wichtigste war für die Sekretärin eigentlich nur, dass wir die richtige Währung dabei hatten (nur harte bulgarische Leva wird angenommen, keine Euros, keine Dollars). Nach 15 Minuten war bereits alles erledigt.

Wir nutzten gleich noch die Gelegenheit, bei der Apotheke im Eingangsbereich zu fragen, ob sie ein Medikament für Lisas Grasmilbenbisse hätten. Nachdem sie die Bisse am Arm der Apothekerin gezeigt hatte, führte diese uns sofort zu einem Arzt, der sich das mal anschauen sollte. Wie es sich gehörte, mussten wir vor einer Türe warten, bis dieser Zeit hatte. Nur Lisa wurde reingelassen. Nach der obligatorischen Temperaturabnahme wurde ziemlich schnell reagiert und es gab eine Antihistaminspritze. Dies ohne weitere Erklärungen, aber jedenfalls hat es schnell geholfen und der Juckreiz verschwand in den nächsten Tagen wieder. In der Apotheke gab es dann auch noch ein Medikament, das alles für günstige CHF 4.- inkl. Diagnose und Spritze. Wir waren etwas baff.

Auch wenn das Spital sehr rudimentär gewirkt hatte, so konnten wir das Testergebnis am nächsten Morgen gemütlich online abrufen. Mit dem negativen Ergebnis fuhren wir dann zur griechischen Grenze, welche wir problemlos passieren konnten. Nun waren wir nach einem grossen Umweg doch noch in Griechenland angekommen. War dieser Umweg wirklich notwendig? Schade für das, was wir dadurch verpasst hatten, aber dafür hatten wir andere schöne Erlebnisse. Und wir wussten ja bereits zu Beginn der Reise im Juli, dass wir unsere Route flexibel gestalten müssen.

Der grosse Umweg nach Griechenland nähert sich dem Ende
Der grosse Umweg nach Griechenland nähert sich dem Ende

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