06.10.2020

Ausflug in die albanischen Alpen (11)

Albanien Teil 1: Erste Eindrücke von Albanien und Reise in die Berge

Allgemein gilt ja Albanien etwas als grauer Fleck bei uns, ein Land behaftet mit vielen Vorurteilen und das aus touristischer Sicht gegenüber den Nachbarn Montenegro, Kroatien und Griechenland das Nachsehen hat. Doch nach den letzten Tagen in Albanien hat das Land für uns viel Farbe bekommen und wir sind absolut begeistert von der abwechslungsreichen Landschaft und den überaus herzlichen Menschen. Gleich nach der Grenzüberquerung von Montenegro nach Albanien wurden wir inbrünstig begrüsst mit einem lauten «Welcome to Albania» und kurz darauf von einem Bauern mit frischen Feigen beschenkt und so ging es dann eigentlich jeden Tag weiter. Spontan werden wir zu einem Getränk eingeladen oder bekommen frische Früchte, wenn wir an einem Garten vorbeigehen. Die Einheimischen winken uns und die Kinder rufen freudig «Hello». Das hätten wir so nicht erwartet und wir sind immer wieder absolut gerührt, diese Gastfreundschaft erleben zu dürfen.

Ankunft in Shkoder

Wir haben uns für einen Kurztrip in die albanischen Alpen entschieden ab / bis Shkoder, dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum Nordalbaniens. Die Stadt (ca. 76'000 EinwohnerInnen) hat eine angenehme Grösse und man kann vieles zu Fuss erkunden. Zudem sind hier auch viele Einheimische mit dem Fahrrad unterwegs, ein eher seltener Anblick in Albanien. Shkoder ist wie das ganze Land voller Kontraste: Kirchen stehen neben Moscheen, elegante Mercedes fahren neben Eselskarren und Hipster-Cafés befinden sich neben Karaoke-Beizen (mit herzhaft mitsingenden älteren Herren).

In den Strassen von Shkoder
In den Strassen von Shkoder

Wir übernachteten im Mi Casa es tu Casa Hostel, einem 250 Jahre alten Haus, das der umliegenden Modernisierung standgehalten hat. Die Besitzerin Alma führt das Haus mit viel Herz und hat diverse Tipps bereit für längere Ausflüge in die unbekannteren Gegenden Albaniens (z.B. die Region Puka oder weiter in Richtung Montenegro in die Berge rund um Lëpushë). Wir entschieden uns jedoch für die beliebteste Region, den Valbona und Theth Nationalpark. Diese Gegend wird seit einigen Jahren für den Tourismus entwickelt und es hat diverse Guesthouses bei Familien und die Wanderwege sind markiert. Aber überlaufen ist es natürlich trotzdem nicht, auch wenn immer mehr einheimische Touristen diese schöne Gegend für sich entdecken (meistens zwar mit dem Mercedes und nicht zu Fuss).

Wir waren schon länger nicht mehr in einem Hostel und genossen den Austausch mit den wenigen anderen Gästen. Unter ihnen war Erik aus Holland, ein Albanien-Fan und passionierter Radfahrer. Da hatten wir aber Glück, denn er konnte uns detaillierte Auskunft geben über die besten Fahrradrouten in Albanien. Er selbst hat eine Website erstellt (https://bikelike.nl/balkan/und bei einem Handbuch über Fahrradrouten im Balkan mitgearbeitet. Sehr aufwendig und eindrücklich das Ganze. Der Abend ging super weiter, denn wir entdecken das Restaurant Peja um die Ecke und probierten so das erste Mal albanische Hausmannskost. Wir waren erstaunt ab den günstigen Preisen in Albanien. So bekommt man ein Abendessen mit diversen Gängen und Wein für CHF 12.-.

Anreise nach Valbona über den Koman-Stausee

Wir konnten die Fahrräder und unser Gepäck im Hostel lassen und machten uns auf den Weg in die albanischen Alpen. Wir freuten uns aufs Wandern in der Natur, die Ruhe und die Berge. Früh am Morgen ging es los mit einem organisierten Minibus-Transfer bis nach Koman (ca. 2.5 Stunden). Wir waren die einzigen Touristen und der Minibus diente gleichzeitig als offizieller Schulbus für Lehrer und Schüler gleichermassen und somit waren wir mittendrin im albanischen Schulalltag. Die Lehrer kauften sich zwischendurch ein Snack in der Bäckerei ein und der Fahrer kannte alle Gäste beim Namen. Der Ort Koman an sich schien nur aus der Schule zu bestehen und ein paar wenigen Häusern in der Umgebung. Von hier aus startet einmal täglich eine Auto- und eine Personenfähre nach Fierzë über den Koman-Stausee. Der Fluss Drin ist mit Abstand der wichtigste Stromlieferant Albaniens und wird seit der kommunistischen Ära genutzt und mit chinesischer Hilfe wurden drei Täler mit Staumauern abgeriegelt.

Landschaftlich ist die ca. 3-stündige Fahrt mit der Fähre ein absolutes Highlight mit engen Schluchten und mehreren hundert Meter hohen Felsen. Hinter jeder Kurve entfaltet sich ein neues Spiegelbild im blauen Wasser. Es hat nur sehr wenige Dörfer und Häuser dazwischen. Leider sieht man bei jeder Besiedlung viel Plastikabfall im Wasser, wie leider so oft im ganzen Land. In Fierzë angekommen ging es mit einem privaten Transfer noch für eine weitere Stunde ins spektakuläre Valbona-Tal hinein bis in den Ort Valbona.

Auf grosser Fahrt mit der Fähre Berisha
Auf grosser Fahrt mit der Fähre Berisha

Valbona ist sehr langgezogen und besitzt kein wirkliches Zentrum. Es wird fleissig an einem grossen Hotelkomplex gebaut, der etwas überdimensioniert wirkt neben all den kleinen Bauernhäusern. Valbona soll das beliebteste Ferienziel im albanischen Hochland sein, doch für uns macht es einen sehr verschlafenen Eindruck. Wir übernachten bei einer Familie in einem einfachen Zimmer mit Balkon. Leider können wir uns nur mit Händen, Füssen und unserem geringen albanischen Wortschatz verständigen. Doch es schien so, als wären wir wie so oft auf unserer Reise die einzigen Gäste seit sehr langer Zeit.

Majestätische Berge umschliessen das Valbona-Tal mit seinen dichten Wäldern und auf Initiative der New Yorkerin Catherine Bohne (www.journeytovalbona.com) wurden zahlreiche Wanderwege markiert. Wir unternehmen eine erste Wanderung und finden uns gut zurecht mit den rot-weiss-rot-Markierungen, die uns sehr an die Schweiz erinnern. Die Reisezeit im Herbst ist ideal und wir sehen hier die ersten fallenden Blätter nachdem wir wochenlang über 30° Grad hatten. Beim Wandern sind die Temperaturen um die 24° Grad und der teils bewölkte Himmel absolut ideal. In einem Guesthouse unterwegs bekommen wir ein Bier mit Aussicht, auch hier hat wohl lange niemand mehr an die Tür geklopft.

Das Abendessen ist bei den Guesthouses in Valbona übrigens immer inbegriffen, was absolut sinnvoll ist. Denn die Restaurants scheinen geschlossen und auch einen Supermarkt gibt es in Valbona nicht. Wir werde verköstigt mit dem, was der Garten zu bieten hat. Die nächsten Tage bekommen wir daher sehr viel Tomaten, Gurken, Käse und dazu Brot und Eier. Eine einfache, aber sehr frische und schmackhafte Küche.

Wanderung von Valbona nach Theth (ca. 6 Stunden / 800 Höhenmeter)

Wir begeben uns auf die beliebteste Wanderung in den albanischen Alpen: von Valbona über den Valbona-Pass (1795 m.ü.M.) ins nächste Tal in den Ort Theth. Von der Familie in Valbona erhalten wir ein Lunchpaket und ein paar Snacks haben wir bereits schon in Shkodra eingekauft. Das Wasser kann zum Glück unterwegs aufgefüllt werden und es hat auch zwei Cafés unterwegs, die aber nicht immer geöffnet haben. Der eigentliche Wanderweg beginnt erst im Dorf Rragram und der Weg dahin führt über ein Flussbett voller Geröll. Das haben wir uns erspart und daher noch einen 4x4 Transfer bis nach Rragram organisieren lassen. Von da an ging es dann aber zünftig hoch in Richtung Pass. Die alpine Landschaft ist absolut spektakulär und überall ergeben sich schöne Ausblicke auf das Valbona-Tal. Seit 1996 sind das Tal und die Umgebung in einem 80 km² grossen Nationalpark geschützt. Teilweise sind die Passagen ziemlich steil und die losen Steine können etwas mühsam sein, doch die Wanderung ist mit einer normalen Kondition und Wanderschuhen gut machbar.

Auf der windigen Passhöhe genossen wir kurz den Ausblick auf die beiden Talseiten und dann ging es schnell herunter in den Theth Nationalpark durch schöne schattige Wälder. Unterwegs trafen wir gerade mal acht weitere Wanderer und zwei davon haben sich trotz der Markierungen verlaufen und fanden den Weg nicht nach Theth. Einen der beiden trafen wir in Theth wieder mit verkratzen Beinen und ohne Wasser, er sah richtig fertig aus und wir gaben ihm unser restliches Wasser mit. Übrigens ist das Leitungswasser an vielen Orten in Albanien trinkbar und hier in den Bergen könnte man wohl sogar direkt vom Fluss trinken, so klar ist das Wasser.

Kurze Rast im Theth Nationalpark
Kurze Rast im Theth Nationalpark
Kurz vor dem Valbonapass
Kurz vor dem Valbonapass

Theth wirkt auf uns gleich touristischer als Valbona, wenn auch in kleinem Masse. So gibt es doch einen Mini-Markt, ein Restaurant, ein ethnografisches Museum und eine Kirche. Und dann gibt es noch die «Kulla». In diesen Türmen haben sich die von der Blutrache bedrohten Männer einer Familie eingeschlossen, teilweise über Jahre. Währenddessen haben sich die Frauen um den Haushalt gekümmert. Einige dieser Turmhäuser stehen noch und sie sind alles andere als wohnlich.

Mit müden Beinen kommen wir am Nachmittag bei Vera und Pashko an, die uns herzlich begrüssen mit hausgemachten Kuchen. Wir dürfen hier zwei Nächte in einem traditionellen Steinhaus verbringen. Nach dem einfachen Abendessen macht uns Pashko ein Feuer und erzählt uns etwas vom Leben hier in den Bergen. Wir können uns gut verständigen und seine Frau Vera kann sehr gut Englisch. In den Wintermonaten liegt hier oben der Schnee bis zu drei Meter hoch und das Dorf Theth ist dann für 4-5 Monate von der Welt abgeschnitten. Nur wenige Familien bleiben dann im Ort und machen Reparaturarbeiten im Haus o.ä. Die restlichen Familien ziehen in die Stadt (Shkoder, Tirana), wo oft auch die die Kinder am Studieren sind. Die Familien hier sehen ihre Zukunft im Bergtourismus und richten bei sich zu Hause Gästezimmer ein. Doch viele Touristen sind dieses Jahr natürlich nicht gekommen. Ein bescheidenes und einfaches Leben hier oben. Wir sind dankbar, kurz eintauchen und mehr darüber erfahren zu können. Es ist immer gut, ab und an mal die Perspektive zu tauschen.

Vera und Pashko, unsere Gastgeber
Vera und Pashko, unsere Gastgeber

Wanderung zum «Blauen Auge» (ca. 6 Stunden / 490 Höhenmeter)

Heute wollten wir es eigentlich gemütlich angehen, doch dann waren wir schon wieder den ganzen Tag unterwegs auf einer Wanderung, denn die schöne Landschaft war einfach zu einladend. Südlich vom Zentrum von Theth führt ein Weg zum Grunas-Canyon und Wasserfall. Der 25 m tief in einen Felspool hinabstürzende Wasserfall ist sehr eindrücklich mit dem blau schimmernden Wasser, das eigentlich zum Baden einlädt. Doch bei der ersten Berührung wird klar, dass es definitiv zu kalt ist. Wir gehen weiter talabwärts entlang einem schmalen Wanderweg bis zum Ort Nderlysaj mit einer Brücke mit zwei Ausflugslokalen. Von hier aus geht es weiter in Richtung Thore-Pass zum «Blauen Auge» (Syri i Kalter), ein tiefblaues, von einem Wasserfall gespeistes Becken mit eiskaltem Wasser. Über eine abenteuerliche Treppe würde es zu einem Restaurant hoch gehen, das uns sehr an ähnliche Lokale in Südostasien erinnerte. Doch wir hatten wieder ein Lunchpaket dabei und genossen das Mittagessen mit Blick auf das klare Wasser.

Beim Grunas Wasserfall
Beim Grunas Wasserfall

Für den Rückweg wählten wir die «Hauptstrasse», auch dies eine sehr abenteuerliche Piste, bei der Jeeps und SUV tatsächlich mal Sinn ergeben. Wir wurden mehrmals von vorbeifahrenden Autos zur Mitnahme nach Theth eingeladen, doch wir entschieden uns zu laufen und dafür einen Blick in den Grunas-Canyon zu erspähen. Auf unserer Karte war eine Brücke zurück nach Theth eingezeichnet, doch die erwies sich als ein doppeltes Rohr über einen Fluss und eine zerbrechliche Leiter. Wir schafften es, doch mussten bei der Überquerung ein paar Mal leer schlucken. So touristisch ausgebaut ist es hier dann doch wieder nicht. Wir freuten uns auf das Abendessen und einen letzten Abend am Feuer mit Tee und Raki.

Offizielle Brücke zurück nach Theth
Offizielle Brücke zurück nach Theth

Abschied von den albanischen Alpen

Nach einem letzten Frühstück und einem herzlichen Abschied von Vera und Pashko hiess es Abschied nehmen von Theth. Wir haben uns hier sehr wohlgefühlt und wünschen den Dorfbewohnern sehr, dass die Touristen nach der Corona-Pandemie wieder hierherfinden und dieses schöne Tal erkunden werden und somit den Familien ein besseres Auskommen in ihrer Heimat ermöglichen können. Mit einem vierstündigen Transfer auf teils abenteuerlichen Strassen ging es für uns wieder zurück nach Shkoder zu unserem Gepäck und unseren Fahrrädern. Wir genossen ein letztes Abendessen im genialen Restaurant Peja Grill. Der Kellner kannte uns bereits und wir bestellten diverse hausgemachte Gerichte von der Karte. Wie so oft in Albanien erhält man bei den Gerichten noch diverse Hintergrundinfos zu der Zubereitungsart. Wir genossen nochmals traditionelles albanisches Essen mit Fergeze (Hüttenkäse mit Paprika), gefüllten Auberginen und Burek mit Spinatfüllung. Am nächsten Tag würde uns die Reise weiterführen in Richtung Süden und Tirana. Wir haben den Ausflug in die albanischen Alpen sehr genossen und auch wenn die Landschaft doch sehr an die Schweizer Alpen erinnert, ist das Erlebnis ganz anders und wir können einen Besuch nur empfehlen.

Abschied von Vera und Pashko und von Theth
Abschied von Vera und Pashko und von Theth

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