Iran Teil 5: Unser Aufenthalt in der Wüstenstadt Yazd
Unsere 10 Höhepunkte von Yazd (42)
Kaum eine Iran-Reise wäre wohl komplett ohne einen Aufenthalt in Yazd (ca. 530'000 Einwohner), denn die Wüstenstadt ist ein Traum aus 1001 Nacht mit engen, verwinkelten Gassen, märchenhaften Innenhöfen, Häusern aus Lehm und einer Skyline aus alten Windtürmen. Sie liegt im Herzen des Landes und ist mit über 3'000 Jahren eine der ältesten Städte im Iran und befindet sich zwischen den beiden Wüsten Dasht-e Kavir und Dasht-e Lut.
Wir verbringen insgesamt 10 Tage in der Stadt, da wir etwas Geduld benötigen, bis unser Iran-Visa für weitere zwei Monate verlängert wird. Somit bleibt genügend Zeit, durch die engen Gassen der Lehmstadt zu streifen und dabei immer wieder neues zu entdecken und das möchten wir gerne mit euch teilen. Doch bevor wir mit unseren Höhepunkten beginnen, stellen wir euch die typischen Elemente einer iranischen Wüstenstadt vor, sozusagen das Einmaleins der Wüstenstädte.
Elemente einer Wüstenstadt:
- Ab Anbar: Traditionelles Trinkwasserreservoir, das als Zisterne im Boden vertieft angelegt ist und von einer Kuppel bedeckt wird. Oftmals ausgestattet mit ein paar Windtürmen für zusätzliche Kühlung.
- Badgir: Die kunstvoll gestalteten Windtürme sind die Vorgänger der Klimaanlage und sorgen bis heute für eine angenehme Belüftung der Häuser. Gespickt mit ausgeklügelten Öffnungen fangen sie den Wind aus allen Himmelsrichtungen ein und kühlen die unter ihnen liegenden Räume.
- Qanat: Ein kilometerlanges System von unterirdischen Wasserkanälen, durch die frisches Wasser von höheren Lagen in die trockenen Wüstengebiete fliesst. Der älteste Qanat im Iran ist über 3000 Jahre alt und 71 km lang. Im Wassermuseum von Yazd erfährt man viel Interessantes über das ausgeklügelte Tunnelsystem. Auch heute noch versorgen Qanate zahlreiche Gegenden mit frischem Wasser.
- Yakhchal: Seit 400 v. Chr. werden in diesem antiken Kühlschrank Eis und manchmal auch Lebensmittel gelagert. Die traditionellen Eishäuser sind kuppelförmig gebaut und eine Fassade aus einem Lehmgemisch mit Ziegenhaaren, Kalk und Eiweiss schützt vor Hitze und Wasser. Im Winter wurde Wasser aus einem Qanat in Rinnen geleitet und über Nacht gefroren. Das Eis wurde dann über mehrere Abende hinweg hergestellt und wenn es dick genug war, wurde es in Blöcke geschnitten und im Yakhchal gelagert.
Damit seid ihr nun schon halbe Experten für iranische Wüstenstädte und damit bereit für unsere Liste mit absolut willkürlichen und subjektiven Höhepunkten von Yazd:
1.) Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der Altstadt
Yazd hat keine solche grossen Sehenswürdigkeiten zu bieten wie Shiraz oder Isfahan. Die Magie der Wüstenstadt zeigt sich jedoch, sobald man sich in den verwinkelten Gassen der Altstadt verliert, die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde und lustigerweise auf Strassenschildern als «historical texture» bezeichnet wird. Die Lehm- und Steinbauten vom historischen Stadtkern überdauerten bislang alle Modernisierungsmassnahmen, denen im Iran ansonsten viele traditionelle Bauten zum Opfer fielen. Noch vor 20 Jahren drohte das Labyrinth aus Lehm zu verfallen, dann aber begann man zu pflastern und renovieren und es zogen Cafés, Restaurants und Boutiquehotels ein. Es ist etwas vom Schönsten, sich ziellos durch die verwinkelten Lehmgassen treiben zu lassen und dabei hinter jeder Ecke neues zu entdecken wie malerische Plätze, versteckte Cafés, eine kleine Bäckerei, eine Wasserzisterne, eine Moschee oder einen Zugang zu einem Qanat. Besonders schön ist auch ein Spaziergang am Abend, wenn die Gassen stimmungsvoll beleuchtet sind.
Unser Tipp: Unbedingt in einer Seitengasse im Bazar vor der grossen Moschee bei der Bäckerei halten und frische Kokosmakronen kaufen. Am besten gleich zwei Packungen, die gehen sonst viel zu schnell weg.
2.) Besichtigung der Masjed-e Jameh
Die Gasse vor der grossen Freitagsmoschee ist sowas wie der touristische Hauptort von Yazd mit zahlreichen Geschäften und Gelaterias, die am Abend voller Leben sind. Doch der Blick fällt automatisch immer wieder auf die Moschee am Ende der Gasse mit ihrem prächtigen Eingangsportal mit den beiden 48 Meter hohen Minaretten. Sie sind von vielen Dächern der Stadt aus gut zu sehen und bieten eine dankbare Orientierung im Labyrinth der Altstadt. Die Moschee wurde im 15. Jahrhundert an der Stelle von einem alten zoroastrischen Feuertempel erbaut und hat Zugang zu einem eigenen Qanat. Im Innern der Moschee befinden sich schöne Kachel- und Mosaikarbeiten. Ein Besuch der Moschee ist kostenlos möglich und Frauen müssen dabei einen Tschador tragen.
3.) Eintauchen in die zoroastrische Kultur
Die Religion der Zoroastrier ist mehr als 2500 Jahre alt und war bis zur Islamisierung die Hauptreligion Persiens, wovon auch noch Felsreliefs in Persepolis zeugen. Man geht davon aus, dass heute noch ca. 30'000 Zoroastrier im Iran leben und Yazd und Umgebung gelten als Zentrum des Zoroastrismus im Iran. Im Mittelpunkt des Glaubens steht der Schöpfergott Ahura Mazda und der Glaube an die ewige Schlacht zwischen Gut und Böse. Zahlreiche Ideen vom Zoroastrismus haben später Einzug in andere monotheistische Religionen gefunden wie der Dualismus, die Idee von Himmel & Hölle und auch das Neujahrsfest Nowruz geht auf den Gründer Zarahustra zurück. Wer mehr über diese Religion erfahren möchte, ist in Yazd an der richtigen Stelle. Wir empfehlen zuerst einen geführte Besichtigung im Zoroastrians History and Culture Museum. Anschliessend geht es zum nahegelegenen Feuertempel, Atash Behram. Im Innern des schlichten Gebäudes befindet das heilige Feuer, das seit über 1500 Jahren brennen soll. Wir haben einiges dazu gelernt und waren auch überrascht, dass im islamischen Gottesstaat Iran andere Religionen überhaupt geduldet werden und ihren Glauben ausüben dürfen.
4.) Die Türme des Schweigens besuchen
Südlich von Yazd befinden sich die Türme des Schweigens, traditionell die letzte Ruhestätte der Zoroastrier. Steile Stufen führen den Hang zu den beiden Hügel hinauf und enden auf einer kleinen Plattform, die umgeben ist von einem gemauerten Ring. Man ist umgeben von einer unheimlichen Stille und nichts hier oben lenkt den Blick ab. Um die Elemente wie Feuer oder Luft rein zu halten, folgten die Anhänger Zarahustras einem besonderen Totenkult: die Leichen wurden auf die flache Plattform auf dem Hügel gebracht und hier den Geiern überlassen. Die Überreste sollten anderen Lebewesen als Nahrung dienen, ein ewiger Kreislauf. Die Knochen wurden anschliessend in die Grube in der Mitte gelegt und damit Platz geschafft für den nächsten Verstorbenen. Bis in die 70er Jahre hielt sich dieser Brauch, dann wurde er aus hygienischen Gründen verboten. Heute befindet sich unterhalb der Türme des Schweigen ein zoroastrischer Friedhof.
5.) Abends auf dem Amir Chakhmaq Square flanieren
Der grosszügige Amir Chakhmaq Platz aus dem 15. Jahrhundert ist das Zentrum der historischen Altstadt und am späten Nachmittag ist die prächtige dreistöckige Fassade am Ende es Platzes besonders fotogen. Am Abend ist der Platz belebt mit Einheimischen und Touristen, die auf der Wiese sitzen und picknicken oder sich in einer der langen Warteschlangen vor die Patisserien stellen, um die berühmten (leider eher trockenen) Süssigkeiten von Yazd zu kaufen. Um den Platz befinden sich Moscheen, Badehäuser, der Bazar und ein schöne Wasserzisterne, die eine ziemliche Besonderheit zu bieten hat, doch dazu mehr unter Punkt 8.
6.) Den höchsten Windturm besuchen im Bagh-e Dowlat Abad
Am einfachsten nimmt man ein Taxi zum grosszügigen Garten Dowlat Abad. Wie bei den meisten Gärten im Iran ist auch hier in den späten Nachmittagsstunden und am Abend am meisten los, wenn alles schön beleuchtet ist. Im Garten blühen zahlreiche Granatapfelbäume und überall plätschert Wasser. Doch das besondere ist, dass sich hier mit 33 Metern der höchste Windturm der Welt befindet, der einen reich dekorierten Gartenpavillon kühlt. Unter dem Windturm befindet sich ein kleiner Pool und tatsächlich spürt man hier unten, dass es angenehm frisch ist und ein leichter Wind weht. Nun möchten wir am liebsten auch unseren eigenen Windturm immer dabeihaben.
7.) Auf einem Dachterrassencafé den Sonnenuntergang beobachten
Etwas vom schönsten von Yazd ist sich in den Gassen der Altstadt zu verlieren und immer wiedermal in einem Café einzukehren. Besonders sehenswert sind die versteckten Dachterassencafés, welche zum Sonnenuntergang ein atemberaubendes Panorama bieten über die zahlreichen Windtürme, Kuppeln und Minarette. Hier zu sitzen und den Blick in Ruhe über die Wüstenstadt schweifen zu lassen ist ein ultimatives Yazd-Erlebnis und sollte möglichst oft wiederholt werden. Besonders gut geeignet dafür sind die folgenden Orte: Art House Café, Colombo Café, Café Nardoon.
8.) Eine Zurkhaneh-Aufführung besuchen
In einem historischen Ab Anbar neben dem Amir Chakhmaq Platz treffen sich jeden Abend Herren unterschiedlicher Altersklassen, um miteinander schwere Keulen zu schwingen. Falls ihr euch nun fragt, was es damit auf sich hat, dann wird es Zeit euch Zurkhaneh vorzustellen.
Ein Zurkhaneh ist übersetzt ein Ort der Kraft, eine Art Vorläufer vom heutigen Fitnesscenter. Doch es geht um viel mehr, weil nicht nur Muskelkraft zählt, sondern auch Eigenschaften wie Bescheidenheit und Grosszügigkeit. Zu rhythmischen Trommelklängen und unter Anleitung eines Meisters werden verschiedene Bewegungsabläufe und Kraftübungen ausgeführt. Zurkhaneh verbindet Kampfsport, Gymnastik, Krafttraining und Musik und Elemente vom Zoroastrismus mit dem schiitischen Islam. Alles folgt einem routinierten Ablauf und spätestens als die Männer die bis zu 40 kg schweren Keulen rhythmisch schwingen und sich später wie in Trance im Kreis drehen, können wir nur noch staunen. Obwohl die Übungen teilweise höchste Konzentration erfordern und sich viele Teilnehmer im kleinen Kreis befinden, herrscht eine sehr friedliche und rücksichtsvolle Stimmung. Besucher dürfen beim Zukrhaneh als Zuschauer dabei sein im Saheb Al-Zaman Zurkhaneh. Ein Besuch verspricht ein einmaliges Erlebnis, dass es so nur im Iran gibt.
9.) Eine Pizza essen im Papasi Café
Das neu eröffnete Papasi Café liegt sehr zentral in der Nähe der Masjed-e Jameh. Das moderne Café ist stilvoll eingerichtet und abends ein sehr beliebter Treffpunkt bei den jungen Iranern und allen Touristen, die auf der Suche nach kreativen Limonaden und gutem Essen sind. Und die Pizza hier ist definitiv eine Erwähnung wert. Im Vergleich zu den sonstigen Pizzen im Iran, welche mit Ketchup serviert werden, erhält man hier eine fast schon italienische Pizza, die ihren Namen verdient hat. Wir kommen mehrmals während unserem Aufenthalt hierher und probieren uns durch die Speisekarte und werden nicht enttäuscht.
10.) Einen Tagesausflug nach Kharanq, Chak Chak und Meybod unternehmen
Falls genügend Zeit bleibt, empfehlen wir allen einen Tagesausflug von Yazd zu unternehmen. Wir entscheiden uns für eine Ganztagestour zu den Orten Kharanaq, Chak Chak und Meybod mit einem Fahrer, was uns EUR 25.- für den ganzen Tag kostet.
Kharanaq liegt ca. 70 km nordöstlich von Yazd und ist ein verlassenes Lehmdorf, das zu ausgiebigen Erkundungen einlädt. Es macht Freude sich in dem Labyrinth aus verlassenen Gebäuden zu verlieren und sich vorzustellen, wie man hier früher gelebt hat. Und noch etwas Besonderes befindet sich in Kharanq: das grösste aus Lehm erbaute Minarett der Welt, ein sogenanntes Shaking Minaret. Das Minarett erhielt seinen Namen von einer interessanten Spezialfunktion: Gibt man dem oberen Teil einen kleinen Stupser, beginnt das Minarett zu wackeln und sollte somit besser vor Erdbeben geschützt sein. Ob es wirklich stimmt, können wir leider nicht überprüfen, da der Zutritt verboten ist. Zudem haben wir gehört, dass europäische Forscher so sehr von diesen wackelnden Minaretten fasziniert waren, dass sie eines davon bei näherer Betrachtung zum Einsturz brachten. Wir haben später auf unserer Reise in Isfahan die Möglichkeit das nächste Shaking Minaret auf seine Wackeligkeit zu überprüfen.
Auf einsamen Wüstenstrassen fahren wir nach Chak Chak, der bedeutendsten zoroastrischen Pilgerstätte. Hoch oben in den Bergen wurde über einer Quelle in einem steilen Felsen ein Heiligtum errichtet. Der Legende nach soll in diesem Felsen eine Königstocher Zuflucht vor den bösen arabischen Eroberern gefunden haben und der Fels hat sich geöffnet und sie schützend aufgenommen. Der Clou: Die Prinzessin war Zoroastrierin.
Heute brennt in der Höhle das ewige Feuer und stetig tropft Wasser von der Decke, von dessen Klang sich der Name Chak Chak herleiten soll. Nur im Juni wird es hier oben richtig voll, wenn Tausende Pilger die steile Treppe zur Höhle raufkommen und einige Tage vor Ort bleiben, um beim Heiligtum zu beten.
Das letzte Ziel an diesem Tag ist die Lehmziegelstadt Meybod, die oftmals übersehen wird und uns total positiv überrascht hat. Hier befindet sich ein wunderbares Ensemble aller typischen Elemente einer Wüstenstadt mit einer schönen Karawanserei, einem Ab Anbar und einem sehenswerten Yakhchal. In der Karawanserei befinden sich zahlreiche Kunsthandwerksläden. Hier werden die wunderschönen traditionellen Silu-Teppiche hergestellt, die auf beiden Seiten verwendet werden können. Wir hätten am liebsten einen gekauft, doch der Gedanke an die bevorstehenden Höhenmeter macht es uns leicht zu verzichten. Welcher Radreisende hat schon einen Teppich dabei?
Ebenfalls sehenswert ist die Lehmfestung Naryn, von der sich ein schönes Panorama über die Wüstenstadt mit ihren Windtürmen bietet. Die verfallene Festung soll bereits 4000 Jahre alt sein und Soldaten kassierten von hier aus Steuern von den vorbeiziehenden Karawanen.
Und als wir dachten, wir hätten schon alles gesehen, gibt uns eine blaue Taube an der Wand den Hinweis auf unser letztes Highlight: den Taubenturm. Es handelt sich dabei um einen der wenigen restaurierten und begehbaren Taubentürme im Iran (und wahrscheinlich wohl weltweit). In diesen Türmen nisteten Tausende von Tauben, deren Kot als Dünger verwendet wurde. Zum Glück begegnen uns im Turm keine Tauben und wir können die einzigartige Architektur in Ruhe bewundern.
Wir hoffen, wir haben euch nun Lust gemacht selber mal Yazd zu besuchen, eine wirklich einzigartige Wüstenstadt. Wir bekamen nach einigen Tagen Wartezeit endlich unsere Visaverlängerung und dürfen nun tatsächlich 4 Monate im Land bleiben statt der üblichen drei Monate. Somit geht es für uns nun weiter und wir müssen Abschied nehmen von dieser magischen Stadt, die uns das Warten mehr als leicht gemacht hat. Im nächsten Reisebericht geht es nach einem Abstecher nach Teheran weiter entlang der klassischen Iran-Route zu den prächtigen Städten Isfahan und Kashan.
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