Iran Teil 2: Canyons und Hippies am Persischen Golf
Insel-Hopping im Iran: Qeshm und Hormuz (39)
Normalerweise beginnt eine Iran-Reise am Flughafen Teheran oder für Überlandreisende im Norden des Landes mit der Stadt Täbris. Da wir jedoch Mitte Februar in den Iran reisten, war für uns klar, wir möchten das Land von Süden nach Norden bereisen und zuerst die Inseln im Persischen Golf besuchen. Dies war eine logische Weiterführung unserer Reise durch den Oman zuvor, konnten wir doch viele Gemeinsamkeiten feststellen. Der Süden des Irans in der Provinz Hormozgan ist stark arabisch geprägt, das sieht man bei der Sprache, den Gerichten und der lokalen Kleidung. Die Bandaris, die Bewohner der Region, konnten ihre ursprüngliche Kultur im schiitischen Iran bewahren. Die Männer tragen teilweise weisse Djellabas und die Frauen lange geblümte Kleider, bizarre Gesichtsmasken und filigrane Henna-Muster auf ihren Händen. Die rhythmischen Tänze werden begleitet von schnellen Trommelschlägen zu denen die Männer ihre Schultern kreisen lassen. Gegessen wird ein dünnes Fladenbrot und getrunken süsser Milchtee, der wie im Oman Karak-Tee heisst. Schöne Bilder an den Hauswänden bilden diese Kultur ab. Obwohl wir den Persischen Golf mit der Fähre überquerten, erinnerten uns so vieles an die «andere» Seite, an Musandam im Oman. Bei einer Überland-Reise lassen sich diese Gemeinsamkeiten und natürlich auch die feinen Unterschiede gut erfahren.
Die beiden Inseln Qeshm und Hormuz bieten uns gleich zu Beginn der Iran-Reise eine landschaftliche Superlative, die wohl weltweit ihresgleichen sucht. Qeshm ist bekannt für seine Canyons, die weltgrösste Salzhöhle und Mangrovenwälder und Hormuz ist ein geologisches Wunder und wohl die iranische Antwort zu Goa, nicht ganz zur Freude aller Einheimischen. Doch der Reihe nach. Wir beginnen unsere Reise auf der Insel Qeshm, wo wir 10 Tage verbringen und fast die ganze Insel mit dem Rad umfahren. Das hätte man natürlich auch locker in nur vier Tagen geschafft, doch wir mussten uns zuerst noch an den Iran gewöhnen und somit machten wir nur kurze Tagesetappen und nahmen uns wiedermal ganz viel Zeit, um auch wirklich alles zu erkunden und verpassten dabei Hengam Island, was wohl ein Highlight gewesen wäre. Oops. Naja, das nächste Mal dann.
Insel Qeshm: Dromedare, Canyons und ein Sternental
Mit einer Länge von 136 km ist Qeshm die grösste Insel im Persischen Golf und bekannt für ihre Felsformationen, die durch Wind und Regen geformt wurden und zahlreiche Schluchten laden zu Erkundungen ein. Wir kommen abends in Laft an, einem ehemaligen Fischerdorf mit zahlreichen malerischen Windtürmen (badgirs) und Minaretten. Hier scheint die Zeit stillzustehen und wir werden neugierig beobachtet.
Kurz hinter dem Ort beginnt eine einsame Mondlandschaft mit bizarren Felsformationen. Wir wissen nicht so recht, wo wir übernachten werden, als wir plötzlich von der Unterkunft Coludang Homestay die Nachricht erhalten, dass sie doch noch ein freies Zimmer haben. Normalerweise ist diese Unterkunft im Dorf Dehkhoda monatelang ausgebucht, wie wir bald erfahren werden. Entsprechend voll ist es auch als wir ankommen. Ganze EUR 40.- pro Nacht kostet ein kleines Zimmer, in dem man am Boden schläft. Wenn das mit dem Iran so weitergeht, dann müssen wir wohl wieder viel mehr im Zelt übernachten, denn das Preis-Leistungsverhältnis stimmt hier überhaupt nicht. Andererseits finden wir es toll, dass man auf Qeshm in diesen einfachen Homestays in den Dörfern übernachten kann und das Geld vor Ort bleibt und es nicht nur grosse staatliche Hotelanlagen gibt.
Bis wir auf Qeshm ankamen, war uns nicht bewusst, dass wir gerade in der absoluten Hauptsaison am Persischen Golf unterwegs sind und dies die beliebteste Region für iranische Touristen im Winter ist. Durch die Pandemie sind auch ganz viele Einheimische für zwei Jahre nicht mehr gereist und umso voller ist nun alles. Wir sind ehrlich gesagt etwas überfordert mit den Menschenmassen überall, doch werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen. Der Iran wird das erste Land sein, in dem wir völlig unverhofft wieder mit dem Massentourismus konfrontiert werden. An den Persischen Golf und vor allem auf Hormuz kommen viele junge Städter, die hier ihre Freiheiten geniessen und so sehen wir wenigstens in der Unterkunft viele Männer in Shorts und Frauen in T-Shirts und ohne Kopftuch. Wie schade, dass es nur an so wenigen Orten möglich ist, was uns selbstverständlich erscheint.
Wir unternehmen nochmals einen Ausflug in den Hara Mangrovenwald, den wir von Bandar Khamir aus bereits mit dem Schnellboot besuchten. Doch diesmal machen wir es nachhaltiger und passender, wir stellen uns das erste Mal auf ein Stand Up Paddle Board und verbringen den ganzen Tag in den Kanälen der Mangroven und versuchen nicht ins Wasser zu fallen. Natürlich voll bekleidet und nicht in Badekleidung, wie man es sich bei über 30° Grad so wünschen würde. Es folgt ein spätes Essen auf dem Boot und Sonnenuntergang vom Board aus über den Mangroven. Viel kitschiger geht es nicht und unsere Iran-Reise beginnt sich kurzfristig wie ein Urlaub anzufühlen.
Mit dem Fahrrad geht es weiter in den Westen der Insel, von einem landschaftlichen Höhepunkt zum nächsten. Das Valley of the Statues haben wir fast für uns alleine und fühlen uns in eine weisse Ausgabe vom berühmten Monument Valley in den USA versetzt. Zwischendurch begegnen wir immer wieder Dromedaren auf der Strasse und natürlich neugierigen Iranern, die mehr über unsere Reise wissen möchten. Manchmal ganz schön anstrengend der ganze Small-Talk, wenn man völlig verschwitzt ist vom Rad fahren und manchmal einfach etwas für sich sein möchte. Doch auch daran werden wir uns noch bald gewöhnen.
Richtig voll wird es beim Chahkooh Canyon, einem beliebten Ausflugsziel. Auf engen Wegen geht es durch die eindrucksvolle Schlucht und wir versuchen den Massen zu entkommen und sind dabei nicht alleine. In einer Höhle treffen wir auf ein paar junge Iraner beim Kiffen. Die wenigen Leute, die an dieser Ecke vorbei kommen schienen sich nicht daran zu stören.
Kurz nach dem Canyon biegen wir von der Hauptstrasse ab und fahren in den Süden der Insel. Bald weicht die Asphaltstrasse einer Schotterstrasse und ein heftiger Gegenwind hindert uns am Vorwärts kommen. Der Verkehr nimmt ab und plötzlich sind wir stundenlang alleine unterwegs. Wir schlagen unser Zelt am Meer auf und können endlich mal etwas Einsamkeit geniessen. So haben wir uns das irgendwie eher vorgestellt.
Landschaftlich bleibt es spektakulär und an unserem Weg liegt die längste Salzhöhle der Welt, die Namakdan Salt Cave. Voller Ehrfurcht betreten wir dieses Naturwunder und staunen ab den vielen Salzformationen in der Höhle, die uns teilweise an Schnee erinnern. Wir probieren etwas und tatsächlich, alles hier ist Salz. Das nützen die Besucher aus und füllen gleich mal säckeweise Salz ab. Niemand hindert sie daran. Obwohl die Insel Qeshm als UNESCO Geo Park ausgezeichnet wurde, wird hier auf die Umwelt keine Rücksicht genommen und schon zweimal drohte die UNESCO der Insel den Status wieder zu entziehen.
Die letzte geologische Eigenheit, die wir auf Qeshm besuchen ist das Sternental, das Stars Valley. Über Jahrhunderte formten hier Wind und Wasser majestätische Schluchten und Canyons. Doch die Legende besagt, dass ein Stern vom Himmel fiel und so stark, auf der Erde aufschlug, dass er dieses Tal erschaffen hat. Die Einheimischen glauben, dass das Tal die Heimat von Geistern und Dschinns ist und raten davon ab, nachts hierher zu kommen, da man sonst nie zurückkehren würde. Der Wind, der durch das Tal bläst sorgt für unheimliche Geräusche, wohl der Stoff aus dem diese Legenden sind.
Nach 10 Tagen auf Qeshm Island verabschieden wir uns von dieser besonderen Insel, die ein absoluter Traum ist für Radfahrer und natürlich auch sonst einen Besuch lohnt. Wo sonst gibt es Delfine, Dromedare, Salzdome, Mangrovenwälder, Mondlandschaften, einsame Strände und zahlreiche geologische Wunder auf einem Fleckchen?
Die Regenbogeninsel Hormuz: Das iranische Hippieparadies
Ihr kennt das sicher selbst. Ihr reist an einen besonderen Ort, fühlt euch wie Entdecker und trefft dann diese eine Person, die euch erzählt: «Jetzt ist es nicht mehr das gleiche. Ihr hättet vor XY Jahren herkommen müssen.» Schon x-Mal gehört, egal ob in Kambodscha, Mexiko oder sonst wo. Immer hat man das Gefühl für die wirklichen Entdeckungen zu spät dran und zu spät geboren zu sein. Doch in Hormuz ist es noch nicht so lange her, erst vor 4-5 Jahren soll der Tourismus hier richtig Einzug gehalten haben, auf dieser kleinen beschaulichen Insel, die gerade mal 42 km² misst. Und auch wenn die Insel in den Reiseführern noch als Geheimtipp angepriesen wird, ist sie schon länger bei den Iranern bekannt. Die ersten die kamen waren Hippies und Künstler, inspiriert durch die einzigartige Natur. Sie blieben und verdingen sich als Musiker, Maler und Handwerker oder eröffneten Homestays und Cafés. Die Touristen kamen nach, denn hier wird geduldet, was anderswo verboten ist. Sobald wir von der Fähre aussteigen merken wir, hier ist eine ganz andere Atmosphäre als auf Qeshm Island, richtiges entspanntes Inselleben und wir fühlen uns plötzlich ganz weit weg vom Iran.
Nur rund 6000 Menschen leben auf der kleinen Landzunge im Norden von Hormuz. Der Rest der kreisrunden Insel gilt als unbewohnbar, weil sie zu grossen Teilen aus Salz besteht, das die Böden unfruchtbar macht. Im Winter sind die Temperaturen mit um die 25° Grad angenehm warm, im Sommer soll es hier unerträglich heiss sein. Der Ort Hormuz selber ist tiefenentspannt. Es gibt fast keine Autos auf der Insel und man bewegt sich zu Fuss oder mit der Rikscha fort. Die Unterkunft erfolgt in einfachen Homestays und nicht in grossen Hotels, denn dafür gibt es gar keinen Platz. Einige kreative Cafés haben eröffnet und locken mit Limonaden und Milkshakes und am Abend füllen sich die Gassen mit Einheimischen und Touristen, die an billigen Plastiktischen Falafel und Samosas verdrücken.
Es scheint drei verschiedene Welten auf der Regenbogeninsel Hormuz zu geben. Die Einheimischen mit farbenfrohen langen Gewändern kommen abends an die Promenade, brutzeln Fisch, bereiten Fladenbrot zu und trinken mit der ganzen Familie Tee auf grossen Bastmatten. Dazwischen flanieren iranische Backpacker mit Dreadlocks und farbenfrohen Aladin-Hosen, die sich hier in relativer Freiheit wägen und wohlhabende modebewusste Städter machen einen Kurzurlaub auf der Insel und knipsen alles für Instagram. Das ganze Land scheint übrigens vom Insta-Hype gefangen zu sein. Kein Wunder, ist das soziale Medium doch eines der wenigen offenen Fenster zur restlichen Welt.
Bis vor wenigen Jahren lebten die Inselbewohner vom Fischfang, doch heute spielen die Einnahmen aus dem Tourismus eine immer grössere Rolle. Den Inselbewohnern ist die Freizügigkeit der Touristen im Ort jedoch ein Dorn im Auge und den Unterkünften wird zuweilen auch gedroht, sollten ihre Gäste sich nicht an die islamischen Kleidungsvorschriften halten. Keine Überraschung also, dass viele Unterkünfte von aussen gar nicht angeschrieben sind, so gibt es weniger Polizeikontrollen.
Zwei Kulturen treffen hier aufeinander und es erinnert mich stark an Goa. Doch nicht nur das, kaum angekommen fahren wir an einem Geschäft vorbei, das den Namen Arambol trägt. Genauso wie jener Hippieort auf Goa, an dem ich mal länger war. Und so erstaunt es auch nicht, als wir Iraner treffen, die ebenfalls bereits in Arambol waren, von indischer Spiritualität reden und einen Joint drehen. Für kurze Zeit vergessen wir, wo wir uns eigentlich befinden. Der Ruf der Muezzins holt uns wieder in die Realität zurück.
Es geht bunt zu und her
Was alle Besucher und Bewohner auf Hormuz wohl gemeinsam haben ist die Faszination für die einzigartige Natur auf dem kreisrunden Eiland, denn egal wohin man sieht, man sieht rot. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man die gesamte Farbpalette von weiss bis dunkelrot und am Ende des Regenbogens thront ein weisser Berg aus Salz oder ein Tal mit einem safranfarbenen Fluss. Extravagante Formen und Farben, die durch Erdbewegungen und Erosionsprozesse entstanden sind und ein geologisches Wunder geschaffen haben. Einer der Gründe für die rötliche Färbung ist die hohe Konzentration von Eisenoxid im Boden. Hormuz wird sogar als einzige essbare Insel der Welt bezeichnet, da ein Berg so reich an rotem Oxid ist, dass es als Gewürz in der Küche verwendet wird oder zur Herstellung von lokalem Brot.
Jeder Teil der Insel ist anders: Tiefrot ist der Sand an der Küste, dann leuchtet das Gestein wieder gelb oder weiss. Hinter felsigen Schluchten fällt das Gelände unvermittelt in steilen Klippen zum Wasser ab, dann wieder ein breiter Sandstrand, an dem sich wunderbar campen und baden lässt. Sind wir hier auf einem anderen Planeten gelandet? Wir erkunden die Insel gleich zweimal mit dem Rad und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wir legen zahlreiche Stopps ein, besuchen das selten besuchte Safrantal, lassen glitzernden silbernen Sand durch die Finger gleiten und erkunden die Regenbogenhöhle, die in verschiedenen Schichten leuchtet. Wir können kaum glauben was wir sehen, diese Insel ist wahrlich einmalig und kein Wunder, ist sie eine Inspiration für Künstler und Aussteiger. Abends füllen sich die Strände mit Zelten und es wird die ganze Nacht gefeiert und auch Frauen hüpfen ins Meer, wenn sie sich gerade unbeobachtet fühlen. Ein kleines Stückchen Freiheit, auch für uns.
Doch so idyllisch wie sich das anhört, ist es leider nicht. Der Massentourismus hat definitiv Einzug gehalten und als wir am Wochenende mit dem Rad die Insel erkunden, werden wir konstant von Rikschas überholt, die laute Musik spielen und johlende iranische Touristen transportieren. Leider führt die grosse Besuchermenge zu viel Abfall und die besonderen Landschaften werden nicht geschützt und die Besucher nehmen Sand oder Gestein der Insel gleich in grossen Tüten mit.
Es hat teilweise so viele Menschen, dass es uns gar nicht möglich ist, die Magie dieser Insel wirklich zu spüren. In Gesprächen mit Inselbewohnern wird klar, dass sie diesen neuen Tourismus ablehnen und sich eine Regulierung wünschen, doch wie sollte diese aussehen? Wie kann man die lokale Bevölkerung an der Wertschöpfung partizipieren lassen, die Natur schützen und die Insel trotzdem zugänglich machen für alle, unabhängig vom Budget? Eine Frage, die ich mir oft stelle, da ich jahrelang im Tourismus gearbeitet habe. Als Insel sollte die Chance für einen sanften Tourismus und eine sinnvolle Regulierung eigentlich gut stehen. Doch ist man dazu bereit oder geht es mehr in eine andere Richtung, dass mehr gebaut wird, da die Besucher ja für wichtige Einnahmen sorgen? Ein Schritt in die richtige Richtung ist diese besondere Ferienanlage für umweltbewusste Reisende: Neue Ferienanlage auf Hormuz. Ein iranisches Architekturbüro hat mit Einheimischen farbenfrohe Kuppelhäuser aus Sandsäcken gebaut. Es kamen natürliche Materialien zum Einsatz, welche es auf der Insel im Überfluss gibt.
Wir werden die Entwicklung von Hormuz sicher weiterverfolgen und hoffen sehr, dass sich eine Lösung für einen nachhaltigen Tourismus auf dieser einmaligen Insel finden lässt. Nach vier Tagen in der Hippie-Enklave geht es für uns mit dem Boot zurück aufs Festland nach Bandar Abbas und wieder in die iranische Realität. Im nächsten Reisebericht nehmen wir euch mit zu faszinierenden Lehmstädten und an einen der heisstesten Orte dieser Erde.
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