20.11.2021

Tbilisi: Warme Quellen, verwunschene Innenhöfe und georgische Delikatessen (32)

Georgien Teil 7: Die charmante Hauptstadt Tbilisi aus unseren Augen

Nun ist es bereits vier Monate her, seit wir die Grenze von der Türkei nach Georgien überquert haben. Unser erster Eindruck von Georgien war die subtropische Schwarzmeerküste mit der interessanten Hafenstadt Batumi. Immer wieder erkundeten wir die unterschiedlichsten Regionen Georgiens, wir reisten in abgelegene Dörfer im Kaukasus, sahen Überbleibsel der Sowjetunion in Tschiatura oder Tsqaltubo, erfuhren mehr über die traditionelle Weinherstellung in Kachetien, kämpften uns den Abano-Pass hoch nach Tuschetien und erlebten ein Off-Road Abenteuer im Vashlovani-Nationalpark. Doch zwischen all diesen Erkundungen verbrachten wir immer wieder einige Zeit im pulsierenden Tbilisi.

Die kaukasische Metropole am Rande Europas zog uns sofort in ihren Bann und jedes Mal, wenn wir vor die Türe treten, erliegen wir wieder dem Charme der Stadt und freuen uns einfach nur hier zu sein. In welcher Stadt findet man schon bei Bushaltestellen eine Tafel mit einem Gedicht, das man per QR-Code auf sein Handy laden kann, um die Wartezeit zu verkürzen? Von Anfang an fühlten wir uns wohl in der Stadt mit ihren knapp 1.1 Millionen Einwohnern, trotz dem Verkehrschaos, das einem manchmal die letzten Nerven kostet, wenn wiedermal alles still steht wegen einer Demonstration. Daher wird es nun höchste Zeit euch in diesem Reisebericht einer unserer schönsten Entdeckungen vorzustellen: Vorhang auf für Tbilisi.

Die Legende der Stadtgründung

Seit 1991 ist Tiflis, das von den Georgiern Tbilisi (თბილისი) genannt wird, die Hauptstadt vom Unabhängigen Georgien. Gegründet wurde die Stadt jedoch vor 1500 Jahren von König Vakhtang Gorgasali, der auch heute noch seinen festen Platz im Stadtbild hat als grosse Reiterstatue bei der Metekhi-Kirche. Damals soll es in den Wäldern im Flusstal nur so von Wild gewimmelt haben und der König war wiedermal auf der Jagd und er hatte es auf einen Fasan abgesehen. Der Fasan fiel angeschossen in eine heisse Quelle, wurde jedoch in der Heilquelle von seiner Verwundung genesen und flog munter weiter. In einer anderen Legende kommt der Fasan schlechter weg und soll in der heissen Quelle gegart worden sein. Jedenfalls ist er der Auslöser für die Entdeckung der heissen Quellen und der König war davon derart begeistert, dass er befahl, die damalige Hauptstadt Mtskheta nach Tbilisi zu verlegen. Daher auch der Name der Stadt, den «Tbilisi» bedeutet warmer Ort. Auch heute noch sind die warmen Quellen von Bedeutung und in der Altstadt finden sich zahlreiche Schwefelbäder.

Vakhtang Gorgasali Statue neben der Metechi-Kirche
Vakhtang Gorgasali Statue neben der Metechi-Kirche

Eine Stadt voller Kontraste am Rande Europas

Was uns als Erstes auffiel waren die unzähligen Kontraste der Stadt. Hinter jeder Strassenecke erwartet einem etwas Neues, man spaziert entlang den mühsamen Gehsteigen und blickt auf bröckelnde Fassaden, verfallene und restaurierte Häuser, immer wieder auf Street-Art und auf der anderen Seite sieht man futuristische Bauten vom ehemaligen Präsidenten Saakashvili und über der malerischen Altstadt schwebt eine Seilbahn zur Narikala-Festung hoch und man sieht auf das Bäderquartier Abanotubani, dazwischen immer wieder Parkanlagen mit Statuen von Dichtern, klassizistische Prunkbauten und sowjetische Wohnblocks….ihr merkt es sicher schon, diese besondere Mischung ist schwierig zu beschreiben und fast unmöglich ist es, dieses besondere Gefühl oder die Seele von Tbilisi alleine mit Worten zu vermitteln. Es gibt hier schliesslich den Begriff «Zutisopeli», was mit «Minutenwelt» oder «der Welt des Augenblicks» übersetzt werden kann, es ein Gedicht und gleichzeitig eine Lebenshaltung in Georgien. Und um das zu spüren, kommt ihr am besten selber nach Tbilisi und schaut es euch mit eigenen Augen an.

Kontraste überall: das Rathaus in Pilzform und auf der anderen Seite eine Strasse in Sololaki
Kontraste überall: das Rathaus in Pilzform und auf der anderen Seite eine Strasse in Sololaki

Und damit wärt ihr nicht alleine, denn Tbilisi ist stark im Kommen. Zahlreiche Expats und Digital Nomads haben sich hier niedergelassen, denn es ist eine Stadt im Wandel und man braucht nur 20 Minuten um eine Firma zu gründen (glaubt uns, ein internationales Paket zu empfangen ist einiges komplizierter) und die Lebenskosten sind vergleichsweise niedrig. Es herrscht eine Aufbruchstimmung und wer eine interessante Idee hat, dem bieten sich viele Möglichkeiten. Dieser Enthusiasmus kann ansteckend sein und wir können nachvollziehen, weshalb sich viele hier niederlassen. Wir lernen Fabio und Rainer kennen, die zufälligerweise beide aus der Region Baden kommen, unserer Heimat in der Schweiz. Fabio hat die Reiseagentur MyCaucasus gegründet und Rainer hat eine erfolgreiche Pizzeria eröffnet und den Ofen dafür gleich selber gebaut.

Rainer eröffnete die beliebte Pizzeria Farina in Tbilisi
Rainer eröffnete die beliebte Pizzeria Farina in Tbilisi

Auf der anderen Seite ist die Lage für viele Einheimische prekär und gut ausgebildete Menschen verlassen das Land. Man sieht viele ältere Menschen, die auf der Strasse betteln müssen, da die tiefen Renten nicht die Lebenskosten decken. In Gesprächen mit Einheimischen merken wir, es gibt eine grosse Unsicherheit wohin das Land steuert und auch eine gewisse Lethargie bzw. das Gefühl, dass sich die Politiker nur um die eigene Machterhaltung kümmern und nicht um die Sorgen der Menschen. Wie es wohl ist in so einem Land zwischen Orient und Okzident aufzuwachsen, einem Land unter Einfluss der allmächtigen christlich orthodoxen Kirche, so nah an Russland und doch ganz klar nach Europa ausgerichtet? Auch wir verlieren während unseren Erkundungen immer mal wieder den Überblick, ob wir noch in Europa oder bereits in Asien sind. Und um euch einen ersten Eindruck zu verschaffen, stellen wir euch anbei am einfachsten gleich die unterschiedlichen Stadtviertel vor.

Sameba-Kathedrale (2004), die grösste Kirche Georgiens
Sameba-Kathedrale (2004), die grösste Kirche Georgiens

Die unterschiedlichen Stadtviertel von Tbilisi

Tbilisi erstreckt sich auf beiden Seiten des Mtkvari-Flusses und die Stadt ist von drei Bergen umgeben. Die Hauptsehenswürdigkeiten liegen auf der westlichen Seite, doch wir finden auch das östliche Ufer sehr reizvoll. Wir haben während unseren Aufenthalten jeweils in den Stadtvierteln Marjanishvili und Sololaki gewohnt, in wunderschönen AirBnBs, von denen es eine grosse Auswahl gibt. Doch der erste Anlaufspunkt für Besucher ist sicher die Altstadt.

Altstadt: Das touristische Zentrum der Stadt mit verwinkelten Gassen und Wohnhäusern mit hölzernen Erkern und Innenhöfen. Hier befinden sich die Sioni-Kathedrale, die Anchiskhati-Basilika, das Gabriadze-Theater mit dem bizarren Kirchturm, die Statue des Tamada, die Friedensbrücke und über allem thront die Narikala-Festung. An einem sommerlichen Abend kann es hier durchaus ziemlich voll werden.

In der Altstadt befindet sich die einzige Moschee
In der Altstadt befindet sich die einzige Moschee

Sololaki: In diesem schönen Viertel lebten im 19. Jahrhundert hohe Beamte und Aristokraten und es finden sich viele Prachtbauten und prächtige Jugendstilvillen mit kunstvollen Wand- und Deckenmalereien in den Hauseingängen. Zudem gibt es eine grosse Anzahl an kreativen Cafés und Bars und einige der besten Restaurants.

Marjanishvili: Wir mögen dieses Viertel am östlichen Ufer des Flusses Mtkvari sehr. Deutsche Auswanderer gründeten hier die Kolonie Neu-Tiflis und es wurde zu einem beliebten Wohnviertel und einem kulturellen Zentrum der Stadt mit Theatern und Galerien. Heute findet sich hier eine Prachtstrasse mit herrschaftlichen Häusern, aber auch viele ruhigere Strassen mit Baumalleen, ein versteckter Garten sowie eine Handvoll Restaurants und das Kreativ-Zentrum Fabrika.

An dieser schönen Strasse wohnten wir eine Zeit
An dieser schönen Strasse wohnten wir eine Zeit

Vera & Vake: Diese beiden wohlhabenden Stadtteile am westlichen Ufer des Mtkvari gehören zu den beliebtesten und teuersten Wohngegenden der Stadt. Hier finden sich viele internationale Boutiquen, Bars und Restaurants sowie zwei Parkanlagen.

Und wie ihr euch nun sicher vorstellen könnt, gibt es soviel zu sehen und entdecken, dass man sich unbedingt ein paar Tage Zeit für diese Stadt nehmen sollte, ihr werdet es nicht bereuen. Die beste Reisezeit sind der Frühling und der Herbst, denn im Sommer kann es unerträglich heiss werden. Und nun möchten wir sie euch nicht vorenthalten, unsere liebsten Erlebnisse oder anders gesagt: Tbilisi aus unseren Augen und was die Stadt so besonders macht.

Tbilisi aus unseren Augen: Unsere liebsten Entdeckungen

  • Die allgegenwärtige Hinterhof-Kultur: Das mag sich vielleicht zu Beginn etwas komisch anhören, aber einfach ziellos durch die Stadt zu streifen und immer wiedermal hinter die Türen zu gucken ist wohl unsere liebste Beschäftigung in der Stadt, denn Tbilisi hat eine einzigartige Hinterhof-Kultur. Die traditionellen Häuser der Altstadt besitzen offene Holzbalkone mit aufwändigen Verzierungen oder Glasbalkone (Shushabandis) und verwinkelte Treppenaufgänge. Die Wohnungen gruppieren sich jeweils um einen Innenhof, in dem sich im Sommer das Leben abspielt. Wäscheleinen spannen sich über den oft begrünten Innenhof, Katzen streifen herum und die Nachbarn tratschen miteinander. Diese Innenhöfe sind eine eigene Welt und wohl das Sinnbild für Tiflis für uns. Eigentlich wird es höchste Zeit für einen Bildband, der sich alleine den Hinterhöfen der Stadt widmet.
  • Streifzug durch Sololaki: In einem unserer Lieblingsviertel reiht sich ein geschichtsträchtiges Gebäude an das nächste, überall sieht man klassizistische Prachtbauten und Jugendstilvillen mit verspieltem Fassadenschmuck. Die wohlhabenden Stadtbürger wetteiferten wohl um die schönste Hausfassade, den hübschesten Balkon und die eindrücklichste Empfangshalle, denn einige Gebäude sind prächtig ausgestaltet mit kunstvollen Malereien und wenn die Tür nicht gerade verschlossen ist, darf man reingucken.
  • Besuch der Gallery 27: Dieser kleine Geschenkeladen ist eine Empfehlung für schöne handgemachte Souvenirs. Doch weshalb man eigentlich hierher kommt ist der in Tbilisi einzigartige Treppenaufgang mit wunderschönen farbigen Glasfenstern. Ein ganz besonderer Ort.
Treppenaufgang zur Gallery 27
Treppenaufgang zur Gallery 27
  • Das Betlemi-Viertel erkunden: In diesem ältesten Viertel der Stadt stapeln sich die traditionellen Häusern mit bunten Holzbalkonen am Hang und steile Treppen führen zu schönen Plätzen wie dem Platz vor der Betlemi-Kirche, dem Lieblingsplatz von Lisa. Ein verwunschener Garten mit Sitzplätzen und Aussicht über die Stadt. Hier lässt sich wunderbar eine Pause von der Stadtbesichtigung einlegen und man bekommt sicher Besuch von der lokalen Katzen-Gang. Von hier aus kann man entweder die Ruinen eines alten Feuertempels (Atashgah) besuchen oder man geht weiter die Treppe hoch zur Mutter Georgiens und zur Narikala-Festung.
Betlemi-Kirche
Betlemi-Kirche
  • Spaziergang durch die Altstadt: Wohl meistens der erste Anlaufpunkt in Tbilisi ist die malerische Altstadt. Hier befindet sich das Zentrum des alten Tbilisi, der Maidan sowie eine noch erhaltene Karawanserei mit dem Stadt-Museum und mehrere Kirchen. Wenn sich zur vollen Stunde jeweils eine Traube Menschen bildet, dann befindet man sich sicher vor dem Gabriadze-Theater. Das verspielte Gebäude mit dem schiefen Uhrenturm ist ein Touristenmagnet und immer zur vollen Stunde erscheint eine kleine Figur aus dem Fensterchen und schlägt die Stunde. Wenn man durch die verwinkelten Gassen streift, finden sich Fotomotive an jeder Ecke und es ist keine Überraschung, dass man hier die meisten Touristen antrifft.
Der Maidan-Platz mit der Narikala-Festung
Der Maidan-Platz mit der Narikala-Festung
Anchiskhati Basilica (6. Jhr.), eine der ältesten Kirchen der Stadt
Anchiskhati Basilica (6. Jhr.), eine der ältesten Kirchen der Stadt

Leider befinden sich viele alte Wohnhäuser in einem schlechten Zustand. Die Bausubstanz ist marode, die Fassaden bröckeln, immer wieder muss ein Weg gesperrt werden, da etwas herunterfallen könnte. Es fehlt an Geld und dem nötigen Engagement der Stadtverwaltung, die Häuser fachgerecht zu sanieren und die Liste der baufälligen Wohnhäuser ist sehr lang. Einige Viertel werden jedoch restauriert, so wie aktuell der Lado Gudiashvili Square mit diesem besonders schönen Wohnhaus:

Das Haus gibt es sogar als Bastelbogen zum selber bauen
Das Haus gibt es sogar als Bastelbogen zum selber bauen
Sanierter Teil der Altstadt
Sanierter Teil der Altstadt
Und das ist die andere Seite der Altstadt
Und das ist die andere Seite der Altstadt
  • Besuch der Narikala-Festung in Kombination mit dem Botanischen Garten: Georgien liebt ja seine Seilbahnen und auch in Tbilisi gibt es mehr als eine. Besonders schön ist die Fahrt mit der Gondel vom Rike-Park über die Dächer der Altstadt hoch zur Narikala-Festung, von der man eine schöne Aussicht über die Stadt geniesst. Ein Besuch lässt sich am besten gleich mit dem Botanischen Garten kombinieren. Der 130 ha grosse Park liegt mitten in der Stadt und ist besonders angenehm an heissen Sommertagen, den am Fusse eines idyllischen Wasserfalls kann man ein Bad nehmen. Sobald man den Hauptweg verlässt, erreicht man lauschige Plätze und vergisst völlig, dass man immer noch in der grössten Stadt des Landes ist.
Blick von der Narikala-Festung über die Stadt
Blick von der Narikala-Festung über die Stadt
  • Abtauchen im Bäderviertel Abanotubani: In welcher Stadt kann man sich nach einem langen Besichtigungstag schon in einem warmen Schwefelbad entspannen? In Tbilisi gibt es sogar ein eigenes Viertel dafür. Bereits zu Zeiten der Seidenstrasse befanden sich hier Bäder und die wundersamen Heilkräfte waren weit bekannt. In den Bädern wurden Geschäfte abgewickelt und Mütter wählten im Schwefelbad Frauen für ihre Söhne aus. Das auffälligste Bad ist heute sicher das Orbeliani-Bad, das mit seinen orientalischen Mosaiken an eine Koranschule in Samarkand denken lässt. Es gibt eine grosse Auswahl an Badehäusern, öffentliche Bäder oder auch solche, in denen man sich einen privaten Raum mit einem Warm- und Kaltwasserbecken sowie Sauna mieten kann (ca. CHF 40.- für eine Stunde). Wir waren zweimal in einem der Bäder und es ist ein typisches Tbiliser-Erlebnis und besonders schön an einem kühlen Herbst-Abend. Alleine die Sicht auf das Viertel mit seinen unterschiedlichen Kuppeln lohnt sich. Vom Bäderviertel führt ein beliebter Weg dem Bach entlang durch eine Schlucht bis zu einem Wasserfall und das mitten in der Altstadt.
Orbeliani-Bad
Orbeliani-Bad
  • Bummeln entlang dem Rustaveli-Boulevard mit seinen Museen: Vom Freiheitsplatz (ehemals Lenin-Platz) führt die 1.5 km lange Prachtstrasse bis zum Rustaveli Platz. In diesem Zentrum der Neustadt befinden sich die crème de la crème der repräsentativen Gebäude mit dem Parlamentsgebäude, dem Opernhaus, dem Rustaveli Theater, der Nationalgalerie und dem Museum für moderne Kunst. Besonders gefällt uns die «Akademie der Wissenschaften», der sozialistische Natursteinbau mit dem 55 m hohen Turm hat eine Fassade mit grossen Bogenfenstern. Hier verkaufen Künstler ihre Bilder und es ist immer etwas los.
Akademie der Wissenschaften
Akademie der Wissenschaften
Rustaveli-Boulevard
Rustaveli-Boulevard
Tbilisi Paliashvili Opera House
Tbilisi Paliashvili Opera House
Freedom Square (ehemals Lenin Square)
Freedom Square (ehemals Lenin Square)
  • Einen Abend in der Fabrika verbringen: Die Fabrika in Marjanshvili ist ein Hotspot für kreatives Schaffen und ein Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen gleichermassen. Das stylishe Hostel in einer ehemaligen sowjetischen Textilfabrik ist gleichzeitig eine angesagte Bar. Im Innenhof gibt es einige Restaurants und kreative Läden und abends ist einiges los. Wir kommen immer wieder hierher und geniessen die besondere Atmosphäre und gucken, welche neue Street Art es im Viertel gibt und somit sind wir gleich beim nächsten Thema.
  • Street Art in Tbilisi oder folge den Büsis: Immer wieder entdecken wir neue Street Art in der Stadt, teilweise mit einem politischen Kontext, teilweise witzig und oftmals einfach beindruckend. Besonders viel tolle Street Art Werke finden sich im Stadtviertel Marjanshvili und wenn man in der Altstadt unterwegs ist, so kommt man an den Werken von goshaart nicht vorbei. Er verwandelt hässliche Objekte wie Elektroverteilkasten oder Abdeckungen bei Baustellen in Kunstwerke, immer wieder finden sich dabei die typischen schwarzen Katzen. Man könnte einen Sport daraus machen, einen ganzen Tag den Werken von goshaart zu folgen und so die Stadt zu erkunden.
Die schwarzen Katzen sind das Markenzeichen von goshaart
Die schwarzen Katzen sind das Markenzeichen von goshaart
  • Mit der Metro zur geheimen Druckerei von Stalin: Etwas ausserhalb der üblichen Hauptattraktionen im Stadtteil Avlabari befand sich in einem unscheinbaren Wohnhaus von 1903 – 1906 die geheime Druckerei von Stalin, in der Zeitungen auf Georgisch, Armenisch und natürlich Russisch gedruckt wurden und von den Revolutionären verteilt wurden. Ein 17 m tiefer Schacht führte von einem Brunnen neben dem Haus in die Tiefe zur Druckerei und von dort hoch zum Haus. Ein Besuch hier gleicht einer Zeitreise, denn die beiden Herren vor Ort scheinen in der Vergangenheit stehen geblieben zu sein. Einer der Männer war ein ehemaliges Mitglied vom KGB und bietet uns mehrmals hintereinander starken Chacha an und erzählt uns, dass Russland der wahre Freund Georgiens sei und die EU und Amerika der Feind. Die Schweiz sei aber gut, da sie neutral sei. Wir sind froh, als wir wieder rauskommen. Am besten besucht man die geheime Druckerei mit der Metro, eine kostengünstige und effiziente Art, in der Stadt vorwärts zu kommen.
Eine Fahrt mit der Metro kostet CHF 0.15
Eine Fahrt mit der Metro kostet CHF 0.15
  • Die Auswahl an besonderen Unterkünften: Tbilisi hat wirklich alles an Unterkünften. Da gibt es die ganze Bandbreite an den üblichen Hotels für jedes Budget, doch was die Stadt wirklich besonders macht sind Orte wie die Fabrika in einer ehemaligen Nähfabrik oder das chice Stamba Hotel in einer alten Druckerei. Da wir jedoch immer länger als nur ein paar Tage in der Stadt verweilten, haben wir jeweils ein AirBnB gemietet, was genügend Platz für unsere Fahrräder und die ganze Ausrüstung bot und mit einer Küche ausgerüstet ist. Wir haben dabei richtige Perlen gefunden, wo sonst kann man ein Tiny Hose mieten, in dem ein Baum mitten durch die Wohnung geht und dann hat man noch einen lauschigen Garten dazu? Für bereits EUR 25.- pro Nacht bekommt man eine geräumige Wohnung mit hohen Räumen, Balkon und hölzernen Fussboden in diesem typischen Tbiliser-Stil, einer Mischung aus Antiquitäten und Shabby Chic. Viele der Wohnungen befinden sich an ruhiger Lage um einen Innenhof, wo man wunderbar in den Alltag der Stadt eintauchen kann und es geht sicher nicht lange, bis ihr eure Lieblings-Shoti-Bäckerei im Quartier gefunden habt. Wir müssen sagen, die Auswahl an einzigartigen Wohnungen in Tbilisi hat uns überrascht, das haben wir bisher an keinem Ort so gesehen. Nun möchten wir euch ein paar Eindrücke natürlich nicht vorenthalten:
In unserem temporären Zuhause mit traditionellem Sushabandi
In unserem temporären Zuhause mit traditionellem Sushabandi
Wohnen mit Baum
Wohnen mit Baum
Unser verwunschener Garten
Unser verwunschener Garten
Was für ein Badezimmer
Was für ein Badezimmer
  • Ausflug ins Grüne: Wie immer möchte man in einer Stadt auch mal durchatmen können und weg vom lauten Verkehr. Zum Glück ist das auch in Tbilisi gut möglich. Es gibt zahlreiche kleine und grössere Parkanlagen, teilweise sogar mit einem eigenen Luna-Park für die Kinder. Besonders gut gefällt uns der Dedaena-Park direkt am Fluss. Hier befindet sich auch der sehenswerte Dry Bridge Bazar mit Gemälden, Kunsthandwerk, alten Schallplatten und sowjetischen Orden. Bei gutem Wetter sieht man im Park zahlreiche Skaterinnen(!) und Skater. Doch wenn man noch etwas mehr Natur möchte, dann kann man einen Ausflug zu einem der drei Seen von Tbilisi machen oder zum Hausberg MtatsmindaWir sind mit einer alten Seilbahn zum Turtle Lake hochgefahren, haben uns ein Pedalo-Boot gemietet und uns ganz weit weg von der Stadt gefühlt. Man kann von hier aus gut weiter bis zum Mtatsminda Park wandern und von dort die Aussicht auf die Stadt geniessen und mit der Standseilbahn wieder runterfahren. Tbilisi hat sogar sein eigenes Meer, das Tbilisi Reservoir, das im Sommer ein beliebter Ausflugsort für hitzegeplagte Grossstädter ist.
  • Shopping in Tbilisi: Nein, damit meinen wir nicht den Besuch einer Shoppingmall mit internationalen Marken. Das geht natürlich auch in Tbilisi und ist praktisch, aber nicht besonders spannend. Tbilisi hat ein ganz eigenes Einkaufserlebnis zu bieten, das aus vielen kleinen einzelnen Läden oder Verkaufsflächen besteht. In gewissen Strassen ist fast jeder Hauseingang ein Laden und die Bewohner verkaufen Früchte, Gemüse, Gewürzmischungen (empfehlenswert ist das swanetische Salz) oder Blumen. Dazwischen findet sich auch einmal eine Katze, die von den Käufern regelmässig mit Streicheleinheiten versorgt wird. Teilweise steht ein Wagen an der Strassenecke, beladen mit Kürbissen und dann läuft wiedermal jemand zwischen den Fussgängern durch und verkauft einzelne Rollen Toilettenpapier. Und überall finden sich diese wunderbaren Bäckereien, in denen man für ein paar Rappen ein frisches Shoti-Brot erhält.
Kleine Bäckerei mit traditionellem "Tone" Ofen
Kleine Bäckerei mit traditionellem "Tone" Ofen
Hier findet man alles
Hier findet man alles

In den Fussgängerpassagen unter den grossen Plätzen ist immer viel los und auch hier finden sich Kleiderläden, Druckereien oder Bäckereien. Und wenn man eine Brille möchte, dann geht man zur Optikerstrasse, wo sich ein Optikergeschäft an das nächste reiht. Aufpassen muss man nur, wenn man zum Bahnhof möchte, denn bevor man sich versieht landet man in einem verwinkelten unterirdischen Kleidermarkt. Von hier aus ist es nicht weit bis zum grossen Früchte- und Gemüsemarkt, dem Dezerter Bazaar. Hier türmen sich saisonale Früchte und Gemüse stapelweise und man kann um Nüsse und Gewürze feilschen oder sich sein Messer beim Messerschleifer schärfen lassen.

Etwas Besonderes finden wir auch die zahlreichen Second-Hand-Läden, die sich überall in der Stadt verteilt befinden und die von den Einheimischen regelmässig frequentiert werden. Es scheint hier ganz normal zu sein, gebrauchte Schuhe und Kleidung zu kaufen, eigentlich sehr vorbildlich wenn man die ganze Fast Fashion nicht unterstützen möchte. Ja, das Einkaufserlebnis in Tbilisi gehört zu unseren Highlights der Stadt, denn es macht einfach Freude, wenn man genau weiss, an welcher Ecke und bei welcher Frau man seine Zitronen kaufen möchte und wo es das beste georgische Matsoni (Joghurt) gibt.

Und somit kommen wir zu unserem letzten Höhepunkt in Tbilisi, auf den ihr sicher schon die ganze Zeit wartet.

  • Die Gastronomie der Stadt: Wir haben es ja immer wieder in unseren Berichten über Georgien erwähnt, dass die Küche zu den vielseitigsten der Welt zählt und dennoch in Europa weitgehend unbekannt ist und ja, auch nach vier Monaten haben wir noch nicht genug. Keine Überraschung natürlich, dass sich in der Hauptstadt die besten Restaurants des Landes finden und man hier wunderbar schlemmen kann. In Georgisch gibt es sogar das Wort Shemomechama, das bedeutet, dass man unfreiwillig alles gegessen hat. Das sagt ja eigentlich schon alles. Während unserer Zeit hier haben wir zahlreiche Restaurants getestet und sind immer wieder überrascht von den vielen tollen Cafés im Brocki-Stil und den Restaurants mit hohen Räumen und schönen Innenhöfen.

Einige unserer Favoriten sind:

  • Cafe Daphna (Dry Bridge Market) – Die besten Khinkali der Stadt
  • Café Littera (SololakI) – Fine dining in einem lauschigen Garten
  • Wellers (Marjanshvili) - Unser neues Lieblingsrestaurant, selten haben wir so gut gespeist (teuer)
  • Iasomani (Sololaki) – Wunderschönes Lokal und alle Gerichte ein Gedicht
  • Keto & Kote (Rustaveli Boulevard) – Verstecktes Kleinod mit Aussicht
  • Ninia’s Garden (Marjanshvili) – Hinter einer unscheinbaren blauen Tür verbirgt sich ein tolles Lokal mit einem schönen Garten

 

Khinkali im Cafe Daphna
Khinkali im Cafe Daphna
Restaurant Iasomani
Restaurant Iasomani

Wir könnten diese Liste noch weiter fortführen, doch noch fast wichtiger ist eigentlich, was man am besten bestellt und hier sind einige der beliebtesten georgischen Gerichte:

  • Badrijani Nigvzit: Diese beliebte Vorspeise aus gefüllte Auberginen-Röllchen mit Wallnusspaste und Granatapfelkernen findet sich auf jeder Karte.
  • Pkhali: Eine Art georgischer Pesto und ein Genuss für Vegetarier. Gemüse wie Randen, Spinat oder Karotten werden zusammen mit Kräutern zu einer leckeren Paste vermengt. Für einen unvergleichlichen Geschmack sogen frischer Koriander, Knoblauch, Dill, Petersilie und gehackte Walnüsse.
  • Tomaten-Gurken-Salat: In Georgien finden sich die frischesten Tomaten und Gurken und zusammen mit Basilikum, gutem Sonnenblumenöl und Walnüssen ist dieser Salat ein Genuss.
  • Skhmeruli: Etwas für Geflügel-Liebhaber. Das Huhn wird im Ofen goldgelb knusprig gebraten und mit einer Sauce aus Knoblauch, Milch und Sahne übergossen.
  • Kharcho: Eine leckere Suppe aus Rindfleisch, Pflaumen, Walnüssen, Koriander und Ringelblume.
  • Lobio: Rote Bohnen, die mit Zwiebeln, Sellerie, Koriander und Chilli verfeinert in einem Tontopf serviert werden, oftmals serviert mit einem frittierten Brot aus Maismehl (Mchadi).
  • Khachapuri: Das Käsebrot ist eine der Spezialitäten Georgiens und sowas wie das heimliche georgische Nationalgericht. Es ist im ganzen Land verbreitet und es gibt Khachapuri in den unterschiedlichsten Varianten. Das Adjaruli Khachapuri wird im Ofen mit Sulguni-Käse überbacken und mit Ei und einem Stück Butter serviert und das Megruli Khachapuri wird nicht nur mit Käse gefüllt, sondern auch noch mit Käse überbacken. Wir müssen zugeben, wir sind nicht die grössten Khachapuri-Fans und die georgische Küche hat einige spannendere Gerichte zu bieten.
Badrijani Nigvzit
Badrijani Nigvzit
  • Khinkali: Die beliebten gefüllten Teigtaschen stammen aus der Bergregion und sind frisch zubereitet eine richtige Delikatesse und dazu sehr günstig (CHF 0.60 pro Stück im Restaurant). Die Füllung besteht aus Fleisch, Kartoffeln, Käse oder aus Pilzen, unserer Lieblingsvariante. Gegessen werden Khinkali traditionell mit der Hand. Wir essen jeweils so um die 4-6 Khinkali pro Person, doch die Georgier haben dafür nur ein müdes Lächeln übrig, bestellen sie doch immer gleich mal 10 Stück pro Person.

Und nach dem Essen geht es weiter in einer der zahlreichen Bars der Stadt. Aktuell schliessen alle Lokale um 23.00 Uhr und somit können wir leider nicht viel über das Nachtleben berichtet. Die Technoszene ist jedoch international bekannt und wer sich für elektronische Musik interessiert, für den ist ein Besuch im Club Bassiani schon fast ein Muss.

Cocktails in der Veliko Bar
Cocktails in der Veliko Bar
Bar at Hotel Stamba
Bar at Hotel Stamba
  • Kochkurs mit Georgian Flavors: Und da wir die georgische Küche so mögen, haben wir uns kurzerhand entschlossen, einen Kochkurs mit Georgian Flavors zu machen. In einem idyllischen Garten ausserhalb der Stadt werden wir von Irma und Tatja in die Geheimnisse der georgischen Küche eingeweiht. In einer grosszügigen Küche lernen wir die Zubereitung von Auberginen-Röllchen, Lobiani (gefülltem Brot mit Bohnen) und natürlich durften auch Khinkali mit Pilzfüllung nicht fehlen. Gar nicht so einfach, diesen besonderen Teig zu machen.

Wir merken, das besondere an der georgischen Küche sind die frischen Zutaten, die vielen Kräuter, das gute Öl und natürlich die Leidenschaft, mit der die Speisen zubereitet werden. So schmecken ganz einfache Gerichte plötzlich fantastisch. Nach ein paar Stunden in der Küche ist es soweit und wir können unsere Kreationen zusammen mit einer guten Flasche Wein im Garten geniessen. Ob wir die Gerichte auch später alleine so lecker hinbekommen?

Dies waren einige unserer liebsten Erlebnisse in Tbilisi und wir könnten diese Liste noch ewig fortführen, denn es gibt soviel zu sehen und entdecken. Wir hoffen wir konnten euch mit diesem Bericht einen kleinen Einblick geben in diese spannende Stadt zwischen Tradition und Moderne. Wir würden uns natürlich freuen, wenn wir euch sogar zu einer Reise nach Georgien inspirieren konnten und geben euch gerne unsere Tipps und Ideen weiter. Nach so einer langen Zeit in Georgien blicken wir unserem Abschied wehmütig entgegen und sind beide sicher, dass wir wieder zurückkommen möchten, denn dieses kleine Land im Kaukasus hat nun einen festen Platz in unseren Herzen. Nun sind wir gespannt auf das nächste Kapitel unserer Reise.

Tschüss Georgien - ნახვამდის გეორიგენ.

Unser letzter Tag in Tbilisi
Unser letzter Tag in Tbilisi

2 Antworten zu “Tbilisi: Warme Quellen, verwunschene Innenhöfe und georgische Delikatessen (32)”

  1. Liebe Lisa und Dario
    dieser Bericht ist wirklich aussergewöhnlich und doch so verständlich
    geschrieben, ich glaube alle Personen, welche eine Reise nach Tbilisi
    planen, können von diesem Bericht profitieren. Ihr beide habt das
    Talent Eure Anschauungen gut zu präsentieren, weiter so bis zum nächsten Mal.
    Liebe Grüsse an Euch beide Susanne u. William

    • Vielen Dank für die netten Worte. Wir freuen uns natürlich, wenn wir euch durch unsere Reiseberichte mitreisen lassen können und für unser geliebtes Tbilisi begeistern können.

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