11.08.2022

Traditionelle Kaufmannshäuser in der Stadt der Rosen (44)

Iran Teil 7: Von Isfahan über die Berge nach Kashan

Nach einer Woche in Isfahan mit vielen schönen Begegnungen geht es für uns weiter. Unser nächstes Ziel ist die Stadt Kashan und wir fragen in unserem Hostel nach der besten Reiseroute. Denn wir haben ein Problem: An unserem Weg befindet sich die Atomanlage Natanz und man darf in dieser Gegend nur auf der Autobahn fahren und nicht auf Nebenstrassen, ansonsten läuft man Gefahr, dass einem die Polizei aufhält und mit auf die Wache nimmt. Wir entscheiden uns für einen Umweg auf der anderen Seite der Berge und merken schnell; das war keine gute Wahl. Wir landen auf der Hauptverkehrsachse der Lastwagen und sind den ganzen Tag von üblen Abgasen umgeben. Es ist frustrierend, hässlich und dann beginnt es auch noch zu regnen. Wir überlegen kurz, per Anhalter bis nach Kashan zu fahren. Doch wir haben auch keine Lust darauf, im Regen zu warten bis uns jemand mitnimmt. Hoffentlich sieht es morgen wieder besser aus. Wir schleppen unsere Räder einen Hügel hoch und finden einen versteckten Platz zum Übernachten, genug weit weg vom Verkehrslärm.

Blick vom Zeltplatz auf die viel befahrene Hauptstrasse
Blick vom Zeltplatz auf die viel befahrene Hauptstrasse

Am nächsten Morgen ist unsere Laune leider nicht besser und der Gedanke, nun noch weitere 70 km entlang dieser Strasse zu fahren ist nicht wirklich motivierend, also entscheiden wir uns stattdessen über die Berge nach Kashan zu radeln. Auch wenn die Wolken immer dunkler werden, so geniessen wir es sehr, wieder mehr in der Natur unterwegs zu sein und weg von den Lastwagen.

Wir geniessen die Bergetappe
Wir geniessen die Bergetappe
Das Dilemma mit den Bergetappen: Schön, aber anstrengend
Das Dilemma mit den Bergetappen: Schön, aber anstrengend

Im Dorf Kamu kaufen wir Proviant für den Abend ein und wollen bereits Richtung Pass weiterfahren, als uns Mehrdad aufhält. Es würde bald zu regnen beginnen und wir würden es vor der Nacht nicht über den Pass schaffen und wir sollen doch bei ihm übernachten. Wir nehmen die Einladung dankend an. Mehrdad renoviert gerade das Haus seiner Grosseltern im kleinen Dorf Kamu und betreibt einen Keramikladen im Bazar von Kashan. Am Abend kommen seine Freunde vorbei und wir kochen für alle Pasta und verbringen einen schönen gemeinsamen Abend.

Frühstück mit Mehrdad (2. v.l) und seinen Freunden
Frühstück mit Mehrdad (2. v.l) und seinen Freunden

Eine Geschichte, wie es sie nur im Iran geben kann

Es sollte uns ein Morgen erwarten, wie es ihn nur im Iran geben kann. Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es für uns weiter über die Berge, doch kurz nach unserer Abfahrt werden wir aufgehalten. Ein Eisverkäufer fährt vorbei und schenkt uns Bananeneis. An dieser Stelle müssen wir wohl kurz erwähnen, dass die Geschmacksrichtung Banane im Iran überaus beliebt scheint und es auch überall Bananen-Kaugummis zu kaufen gibt. Der nette Mann wartet solange, bis wir das Eis auch tatsächlich essen und erst dann fährt er beruhigt weiter. Gut, dann essen wir halt ein Bananeneis um 10.00 Uhr morgens.

Wir sollten es eigentlich besser wissen, doch wir haben wiedermal vergessen, dass ein längeres Anhalten im Iran automatisch zu weiteren Einladungen führen kann. Kurz darauf hält wieder jemand an. Diesmal ein Musiker aus dem nächsten Dorf. Er sei Single und möchte uns gerne zum Mittagessen einladen. Wir lehnen zwar ab, unterhalten uns aber noch etwas mit ihm und dann packt er plötzlich seine Instrumente einzeln aus, stellt einen Hocker hin und gibt uns ein Konzert. Tales of the Road.

Könnte ein Plakat für einen Independent-Film sein
Könnte ein Plakat für einen Independent-Film sein
Karawanserei auf dem Weg nach Kashan
Karawanserei auf dem Weg nach Kashan
Kashan ist bekannt für den Rosenanbau
Kashan ist bekannt für den Rosenanbau

Historische Kaufmannshäuser und schöne Karawansereien in Kashan

Kashan (ca. 300'000 Einwohner) ist unsere letzte historische Stadt entlang der touristischen Hauptroute. Wir checken in dem wunderschönen traditionellen Guesthouse Ferdows Khoosk ein, das liebevoll von Narges und Ramin geführt wird. Unser Guesthouse befindet sich mitten in den verwinkelten Altstadtgassen von Kashan und wird unsere Basis sein für die nächsten drei Nächte. Das junge Besitzerpaar hat die Unterkunft erst gerade wiedereröffnet und sie waren im Winter mit ihrem ausgebauten Auto unterwegs, haben Kleidung verkauft und im Auto übernachtet. Immer wieder treffen wir auf Iraner, die sich einen ausgebauten Bus oder Camper wünschen, um damit ihr Land zu entdecken und einige machen das bereits. Eine Lebensweise, die wir nur allzu gut von unseren Freunden in der Schweiz kennen, wo sich gerade viele einen Camper umbauen und damit länger unterwegs sein möchten. So unterschiedlich sind halt die Wünsche zwischen Ost und West doch nicht.

Ramin & Narges im Ferdows Khoosk
Ramin & Narges im Ferdows Khoosk

Wir unternehmen die ersten Erkundungen in der Altstadt, die mit ihren Lehmhäusern, einem Yakhchal (Eishaus), Moscheen und Windtürmen an eine kleinere Ausgabe von Yazd erinnert. Immer wieder sehen wir Eingänge für Qanate und wir können überall unser Wasser auffüllen. Was uns sofort auffällt, ist die einzigartige Bauweise in der Wüstenstadt Kashan. Viele Häuser wurden einen Stock tiefer als die Strasse erbaut und über eine Treppe gelangt man zu den tiefer gelegten Innenhöfen, was für mehr Schatten und Kühlung in den heissen Sommermonaten sorgt.

Besonders schön kann man das in der Agha Bozorg Moschee aus dem 18. Jahrhundert sehen. Im Vergleich zu anderen Moscheen ist hier der komplette Innenhof einen Stock tiefer versetzt, zudem hat es zusätzlich zwei Windtürme, welche die Moschee kühlen. Es ist ein wundervoller Ort, der zum Verweilen einlädt. Einige Einheimische sitzen in der Moschee und geniessen ebenfalls die stimmungsvolle Atmosphäre.

Agha Bozorg Moschee mit dem tiefer liegenden Innenhof
Agha Bozorg Moschee mit dem tiefer liegenden Innenhof
Zwei Windtürme sorgen für zusätzliche Kühlung
Zwei Windtürme sorgen für zusätzliche Kühlung
Beim Besuch der Moschee beantwortet ein Imam alle Fragen
Beim Besuch der Moschee beantwortet ein Imam alle Fragen

Die historische Altstadt von Kashan hat man in wenigen Stunden erkundet und wir merken, wir sind etwas erschöpft vom Sightseeing. In den letzten Wochen haben wir alle klassischen Städte einer typischen Iran-Reise erkundet mit Shiraz, Isfahan und Yazd und irgendwie fällt es uns schwer, uns auf Kashan einzulassen. Haben wir vielleicht bereits zu viele Moscheen, Karawansereien und Bazare gesehen? Sind wir übersättigt und reisemüde? Diese Stimmungslage ist nicht wirklich fair Kashan gegenüber, denn die Stadt mit ihren traditionellen Häusern und dem lebhaften Markt hat so einiges zu bieten und aufgrund seiner entspannten Atmosphäre gehört Kashan oft zu den Lieblingsstädten von Iran-Reisenden.

Lehmgassen in der Altstadt von Kashan
Lehmgassen in der Altstadt von Kashan
Auch in Kashan finden sich die typischen Elemente einer Wüstenstadt
Auch in Kashan finden sich die typischen Elemente einer Wüstenstadt

Kashan liegt zwischen den Bergen und der Wüste und ist bekannt für den Anbau von Rosen, aus denen duftendes Rosenwasser gewonnen wird. Dieses wird für Lebensmittel, als Massageöl, als Gesichtslotion oder Parfüm verwendet. Überall am Strassenrand und in den Geschäften kann man Rosenwasser kaufen und es duftet verführerisch.

Kashan ist aber auch bekannt für die schönen restaurierten Kaufmannshäusern aus dem 19. Jahrhundert, welche von wohlhabenden Teppichhändlern über die Jahrhunderte zu pompösen Wohnkomplexen ausgebaut wurden. Diese Häuser wirken oftmals unscheinbar von aussen, um keine Diebe anzulocken. Nur ein kleiner dunkler Treppengang führt hinunter zu einem Innenhof und plötzlich steht man mitten in einem Palast, umgeben von plätscherndem Wasser, Granatapfelbäumen und reich verzierten Räumen, in denen das Sonnenlicht durch die Fenster bunte Lichter auf den Boden malt.

Wir besuchen zwei der historischen Häuser. Das bekannte Tabatabai Haus wurde in den 1880er Jahren von der einflussreichen Familie Tabatabai erbaut und spiegelt in hervorragender Weise den Lebensstil wohlhabender Familien von Kashan wieder. Das Haus verfügt über insgesamt 40 Zimmer und vier Innenhöfe und ist mit schönen Stuckarbeiten verziert.

Tabatabai House
Tabatabai House
Das Haus liegt tiefer als die Strasse
Das Haus liegt tiefer als die Strasse
Typsch für die persische Bauweise sind diese Bassins im Innenhof
Typsch für die persische Bauweise sind diese Bassins im Innenhof
Schöne Verzierungen im Tabatabai House
Schöne Verzierungen im Tabatabai House

Der wohlhabende Kaufmann Boroujerdi verliebte sich in die Tochter von Herr Tabatabei. Doch als Auflage für die Hochzeit wollte ihr Vater, dass der Kaufmann Boroujerdi für seine Tochter ein ebenso prächtiges Haus baute wie das, in dem sie aufgewachsen ist. Boroujerdi machte sich an die Arbeit und es dauerte 18 Jahre und 150 Handwerker für die Fertigstellung. Kein Wunder gehört das Haus mit seiner bemalten Kuppel nun zu den eindrücklichsten Häusern der Stadt. Ob er sich wohl irgendwann gefragt hat, ob er sich nicht besser in eine Frau aus einer anderen Familie verguckt hätte?

Boroujerdi House
Boroujerdi House
Malereien zieren die Kuppel vom Boroujerdi Haus
Malereien zieren die Kuppel vom Boroujerdi Haus
Wohl eine der schönsten Kuppeln bisher
Wohl eine der schönsten Kuppeln bisher

Am Nachmittag haben wir uns mit Mehrdad in seinem Keramik-Laden verabredet. Und sobald wir im überdachten Bazar die erste Abzweigung nehmen, passiert es plötzlich: Kashan verzaubert uns doch noch. Wir befinden uns in der Karawanserei Amin al-Dowleh Timche mit ihrer überaus reich dekorierten Kuppel. In der 150-Jahre-alten Karawanserei befinden sich Handwerkstätten und Teppichhändler, denn Kashan ist weltberühmt für seine Teppiche. Die Atmosphäre in dieser Karawanserei ist einfach magisch und plötzlich bekommen wir wieder Lust aufs Entdecken. Wir schlendern durch den historischen Bazar, an dessen Stelle seit bereits 800 Jahren Handel getrieben wird. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Gebäude immer wieder erweitert und es handelt sich um einen der ältesten durchgehend genutzten Märkte der Welt (wieder so ein Bazar-Superlativ halt).

Karawanserei Amin al-Dowleh Timche
Karawanserei Amin al-Dowleh Timche
Der Moment, in dem uns Kashan doch noch verzaubert
Der Moment, in dem uns Kashan doch noch verzaubert

Wir nehmen die nächste Abzweigung und landen erneut in einer Karawanserei, die jedoch viel ruhiger ist, da noch nicht so viele Geschäfte hier Einzug gehalten haben. In einer Ecke hat Merhdad sein kleines Keramik-Studio und Geschäft. In seinem Atelier arbeiten ein paar junge Frauen aus Teheran, die nach Kashan gezogen sind, um sich hier ihrer Kunst zu widmen. Sie schätzen die entspannte Atmosphäre der Stadt und, dass man eine bessere Work-Life-Balance habe als im hektischen Teheran. Mehrdad macht eine kurze Pause und zeigt uns seinen Bazar und führt uns in eine unscheinbare Seitengasse zum Färberviertel. In grossen uralten Becken wird hier die Wolle von Hand gefärbt und in einem Hinterhof zum Trocknen aufgehängt. Wie viele Arbeitsschritte eigentlich hinter so einem persischen Teppich stecken überrascht uns immer wieder. In einer Gallerie sehen wir die unterschiedlichen Teppiche ausgestellt und staunen ab den Preisen, denn nur für wenige Hundert Euro lässt sich bereits ein Teppich erwerben. Viel zu günstig aus unseren Augen, wenn man an die vielen Arbeitsschritte und Arbeitsstunden denkt.

In dieser Karawanserei hat Mehrdad seinen Laden
In dieser Karawanserei hat Mehrdad seinen Laden
So ein Arbeitsplatz in einer Karawanserei würde uns auch noch gefallen
So ein Arbeitsplatz in einer Karawanserei würde uns auch noch gefallen
In dieser Karawanserei hat es ein schönes Café
In dieser Karawanserei hat es ein schönes Café
Kashan ist bekannt für seine Teppiche
Kashan ist bekannt für seine Teppiche
Hier werden Teppiche geknüpft
Hier werden Teppiche geknüpft
In diesen Töpfen wird die Wolle gefärbt
In diesen Töpfen wird die Wolle gefärbt
Die Wolle wird im Hinterhof getrocknet
Die Wolle wird im Hinterhof getrocknet

Am nächsten Tag besuchen wir den Fin-Garten, einen der ältesten Gärten des Irans und wiedermal ein UNESCO-Weltkulturerbe. Im hübschen Pavillon werden die Wasserbasins durch Kanäle von einem Qanat mit Bergwasser gespeist. Auch hier sind wir alles andere als alleine und es werden ununterbrochen Selfies gemacht. Wir beobachten eine Familie und staunen nicht schlecht, als wir sehen, dass ein Mädchen sogar ihren Vogel auf den Ausflug mitgenommen hat. Ob er wohl von dem persischen Garten begeistert ist?

Fin-Garten
Fin-Garten

Rotes Felsendorf Abyaneh

An unserem letzten Tag nehmen wir ein Taxi zum historischen Bergdorf Abyaneh, das auf 2300 m hoch liegt und nur eine Stunde südlich von Kashan entfernt ist. Leider haben wir Pech mit dem Wetter, denn es ist ziemlich kühl und regnet immer mal wieder. Das Dorf gehört zusammen mit Masuleh in Gilan zu den bekanntesten Bergdörfern des Irans. Wir erwarten ein Dorf, das sich komplett dem Tourismus verschrieben hat und sind überrascht wie authentisch es uns erscheint. Bekannt ist Abyaneh für die durchgängig aus roten Ziegeln und Lehm erbauten Häuser, die sich dem Hang entlang ziehen. Es macht Freude ziellos durch die Gassen des roten Dorfes zu laufen und sich die besondere Bauweise der Häuser anzuschauen. Eine Ladefläche von einem Auto mitten auf der Gasse dient als Supermarkt und an uns huschen Frauen vorbei, die noch ihre traditionellen Trachten mit Rosenmuster und weiten Röcken tragen. In kleinen Läden werden getrocknete Früchte und traditionelle Tücher verkauft und es hat eine Handvoll kleiner Cafés. So schön das Dorf auch ist, berufliche Chancen gibt es hier nicht viele und so werden die Häuser mehrheitlich als Ferienhäuser genutzt, da die Bewohner schon längst in Städte gezogen sind und nur in den Ferien zurückkommen, um hier die frische Luft und das ruhige Landleben zu geniessen.

Ca. 300 Menschen leben in Abyaneh
Ca. 300 Menschen leben in Abyaneh
Knallrote Schönheit in den Bergen
Knallrote Schönheit in den Bergen
Verzierte Türe der Moschee
Verzierte Türe der Moschee

Auch wenn uns Kashan doch noch verzaubern konnte, zieht es uns weiter, wir möchten wieder mehr Rad fahren und Natur erleben und zudem vermissen wir Wälder und Berge. Daher entscheiden wir uns, die nächsten Wochen im Westen des Landes zu verbringen und die Provinzen Lorestan und Kurdistan zu besuchen. Dort erwarten uns eine Polizei-Eskorte, der Grand Canyon des Iran, archaische Bergdörfer und eine neue Freundschaft. Mehr dazu im nächsten Reisebericht.

Im nächsten Reisebericht geht es in den Westen des Landes
Im nächsten Reisebericht geht es in den Westen des Landes

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