Italien Teil 3: Von Santa Croce nach Trieste
Von den Bergen bis ans Meer (6)
Der kleine See Santa Croce schenkte uns noch eine schöne Morgenstimmung mit Nebel und schlafenden Fischern auf den Booten. Danach ging es hinunter in die Ebene und die Dolomiten waren nur noch als schemenhafte Konturen in der Ferne auszumachen. Wir frühstückten in der Provinz Treviso in Vittorio Veneto. Einer sehr schmucken und völlig untouristischen Stadt, aber in Italien sehr bekannt, da hier ein historisch wichtiger Sieg über Österreich-Ungarn im 1.Weltkrieg stattgefunden hatte. Unsere langsame Reiseart ermöglicht uns, diese wunderbaren Orte zu entdecken, von denen wir noch nie gehört haben und die uns völlig überraschen. Wir nennen es dann immer die «b-Seite» vom Tirol, Friaul, Venetien etc. und meinen dies durchwegs positiv.
Danach wurde es heiss, eben und öde. Entlang Ausfallstrassen und ungemütlicher Orte wie Casarsa mit Militäranlagen fuhren wir auf verlassenen kleinen Nebenstrassen und wollten nur noch vorwärtskommen. Der Schweiss tropfte nur so hinunter und es gab keine Möglichkeit uns zu erfrischen, der einzige grössere Fluss war ausgetrocknet und die Bäche hatten entweder trübers, brackiges Wasser oder waren für uns fast nicht erreichbar und waren sicher nicht zum Baden gedacht. Auch gab es fast keine Möglichkeit, Trinkwasser aufzufüllen.
Solche Tage sind anstrengend. Aber meistens sind es nur Momentaufnahmen und dann passiert wieder etwas, das einem total überrascht. Beispielsweise ein Gespräch mit einem Mann aus Dübendorf, der wieder in seine Heimatstadt Pordenone zurückkehrte und uns gleich auf unsere Pläne ansprach. Oder dann unser Übernachtungsort. Ein altes, riesiges Herrschaftshaus aus dem 17. Jahrhundert im Weiler Camino al Tagliamento. Niemals hätten wir in diesem Dorf einen Stopp eingelegt, wenn wir nicht spontan ein Agriturismo gebucht hätten, da an Wildzelten nicht zu denken war in dieser Gegend. Der Holzboden knarrte und die Möbel wirkten verstaubt und wir fühlten uns gleich sehr wohl. Die Landlady Daniela erlaubte uns sogar, in ihrem Privat-Pool zu baden. Wovon wir absahen und dafür lieber den Ort auskundschafteten, welcher schon bei unserer Ankunft viel lebendiger wirkte, als all die ausgestorbenen und öden Dörfer vorher.
Viel gab es erwartungsgemäss nicht zu sehen, aber eine Pizzeria hatte geöffnet. Die einzige weit und breit. Die Pizza war hervorragend und wir waren mitten drin im (nicht wirklich pulsierenden) Dorfleben. In der Dorfbar, in welcher sich gefühlt das halbe Dorf zu 90er Sound ein Feierabendbier gönnte, bekamen wir sogar zwei Negronis, das Rezept musste der Chef aber noch kurz googeln. Wer hätte das hier draussen erwartet?
Die Kleinstadt Palmanova bot uns einen erholsamen Unterbruch auf dem Weg zum Meer. Bereits auf der Landkarte ist uns die sternförmige Planstadt aus dem 16. Jahrhundert aufgefallen. Der Grundriss blieb bis heute erhalten. Wir frühstückten mitten auf dem achteckigen Platz und hatten bereits wieder die nächste Begegnung mit Einheimischen. Ein junger Mann fragte uns zu den Fahrrädern aus. Als wir von unseren Plänen erzählten, fragte er uns, weshalb wir das machen. Tja, weshalb nicht? Aber eigentlich eine nachvollziehbare Frage, die wir nicht so schnell beantworten können und auf die wir wohl noch eine griffige Antwort in Zukunft finden müssen, denn diese Frage wird wohl noch öfters kommen. Er winkte zum Abschied. Solche Begegnungen in unerwarteten Momenten sind immer ein Motivationsschub und ein Aufsteller für uns, und Facebook-Freunde sind wir auch schon.
Ab an die Adria
Auf geradem Weg radelten wir nun in Richtung der Stadt Grado auf einem Seedamm. Zuerst durch die Lagune mit ihren vielen Zugvögeln und dann spürten wir zum ersten Mal den Salzgeruch. Wir haben es tatsächlich ans Meer geschafft, nach 845 km und 16 Tagen. Unglaublich!
Ein Kindheitswunsch geht in Erfüllung – von der Haustüre bis ans Meer zu fahren. Trotzdem war der erste Eindruck vom Meer etwas ernüchternd.
Wir waren an der Adria, die hier mehr einem lauwarmen Tümpel mit Seegras glich statt dem offenen Meer mit Möwengeschrei und Wellen. Aber das würde ja noch kommen. Die Campingplätze waren teuer und boten alles, was man sich wohl so im Urlaub so wünschen könnte: Bananenboote, Tennisplätze, Aerobicstunden am Pool. Hier waren wohl viele Dauercamper, die ihre grossen Stellplätze mit Lichterketten und Schildern schmückten und alles dabei hatten, inklusive dem eigenen Katamaran und zahlreichen Surfbretten für das hier allseits beliebte Stand-Up-Paddling. Nicht wirklich unsere Welt, aber trotzdem faszinierend zuzuschauen. In solchen Momenten kommt uns immer wieder das Song von der Band Tocotronic in den Sinn «Aber hier leben, nein Danke!» und summen jedesmal leise die Melodie vor uns hin. Wir sind froh, dass wir weiterziehen können und fahren auf holprigen Wegen entlang der Lagune von Grado in Richtung Triest.
Prächtiges Triest
Die Hafenstadt Triest (ca. 204'000 Einwohner) ist schön. Das wird uns schon einige Kilometer vor der Stadt bewusst. Keine Industrieanlagen und grossen Einkaufszentren säumen die Strasse in die Stadt, sondern eine wunderbare Küstenstrasse an der Costa dei Barbari mit steilen Felsklippen und versteckten Badebuchten.
Kurz vor Triest befindet sich das Schloss Miramare an einer imposanten Lage auf einer exponierten Felsklippe. Das romantische Schloss hat auch etwas Melancholisches, denn es sollte ein Rückzugsort für Österreichs Erzherzog Ferdinand Maximilian und seine Frau Charlotte von Belgien werden. Doch sie lebten nur vier Jahre dort, danach wurde der Österreicher zum Kaiser von Mexiko berufen und kurz darauf hingerichtet. Seine Frau Charlotte wurde wahnsinnig und der Legende nach, soll noch heute ihr Geist durch den verwinkelten Schlossgarten spuken.
Eine kilometerlange Promenade mit zahlreichen Badestellen führte uns anschliessend vom Schloss Miramare fast bis ins Stadtzentrum. Die Lage am Meer und die Möglichkeit in der Stadt zu baden sprechen uns gleich an und uns gefällt die Stadt, obwohl wir noch nichts gesehen haben.
Der positive Eindruck sollten anhalten. Unsere netten Gastgeber überschütten uns mit Gastfreundschaft in ihrem kleinen Bed & Breakfast und geben uns zahlreiche Tipps für die Stadt, den schönsten Aperitifplatz zum Sonnenuntergang (The Roof), die beste Gelateria (Zampolli!) etc. Wir lassen es uns gutgehen und flanieren drauf los, essen in einer kleinen Trattoria, gucken aufs Meer und halten die Füsse ins Wasser und blicken dabei auf die vielen prunkvollen Gebäude aus der habsburgischen Zeit.
Wir spazieren über den grössten, zum Meer offenen Platz in Europa, die Piazza dell’ Unità d’Italia und staunen ab den vielen erhabenen und herausgeputzten Gebäuden. Alles wirkt aufgeräumt. Eine Hafenstadt haben wir uns eigentlich rauer vorgestellt. Doch Triest ist eine interessante Mischung aus Wiener Pracht und mediterranen Lebensstil. Am Abend finden wir die versteckte Piazza del Barbacan mit vielen einladenden Bars. Das ist genau unsere Ecke und wir bleiben sitzen. Triest gefiel uns sehr und würde sich super für einen Kurztrip mit dem Zug anbieten. Wir können es nur empfehlen. Nun wird es aber Zeit, Italien Lebewohl zu sagen und darauf zu hoffen, dass die Pasta nicht allzu viel schlechter werden wird; wir freuen uns auf Istrien.
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