04.08.2020

Intro: Abschied von Baden (2)

Schweiz Teil 1: Die ersten Tage unserer Fahrradreise

Nach einem traumhaften Hochzeitsfest am 04.07 und wochenlanger Planung konnten wir es kaum glauben, dass der Abreisetag plötzlich da war am 29.07.20. Wir hatten unsere Wohnung in Baden geräumt, unser Leben in eine Box verstaut und übernachteten in einer leeren Wohnung auf unseren Matten, umgeben von unserer Ausrüstung für die nächsten Monate / Jahre. Wir waren aber zu erschöpft, um nervös zu werden.  Am Morgen gab es dann noch kurz ein wenig Stress, da die Wohnung bereits geputzt wurde und wir die letzten Sachen noch in Ruhe in unseren Sacochen (Velotaschen) verstauen wollten. Aber so hektisch wie die letzten Wochen waren, war es keine Überraschung, dass die Anspannung bis zum Schluss anhielt. Die grosse Freiheit sollte ja noch kommen.

Abschiedsfoto bei Lisas Eltern
Abschiedsfoto bei Lisas Eltern

Obwohl wir an einem ganz normalen Mittwoch abreisten, kamen viele Freunde von uns am Morgen vorbei, um uns zu verabschieden mit Kaffee, Prosecco und vielen guten Wünschen. Ein besonderer Moment, der aber vor lauter Aufregung gar nicht wirklich fassbar war. Daher an dieser Stelle ein riesiges Dankeschön an Euch!

So radelten wir am Vormittag ein letztes Mal durch die Altstadt von Baden, über die Hochbrücke und zu Lisas Eltern in Wettingen. Ein tränenreicher Abschied, eine letzte Umarmung und dann war es wirklich soweit – es ging los.

Unsere Heimatstadt Baden
Unsere Heimatstadt Baden

Seen über Seen

Wir radelten langsam mit unseren vollgepackten Rädern an bekannten Strassen entlang, doch mit einem anderen Gefühl als je zuvor. Was tun wir uns da eigentlich an? Können unsere Körper mit der Anstrengung umgehen? Wie reagieren wir auf die Umstellung und wie finden wir einen schönen Umgang miteinander trotz schwieriger Situationen? Das Ganze ist ja ein Härtetest für Körper und Geist. Zuerst mussten wir uns aber erst an die vollgeladenen Räder gewöhnen und an das neue Gewicht. Doch die Freude war gleichzeitig auch riesig und es war schön, einfach abzuschalten und meditativ vor sich hinzuradeln und die letzten Tage und Wochen Revue passieren zu lassen.

Nach einer ersten kurzen Mittagspause am Katzensee fuhren wir durch dichtbesiedelte Gebiete bis an den Greifensee und kühlten uns erstmal im einladenden Wasser ab. Wir schauten uns die anderen Gäste an mit ihren SUP-Brettern, Gummitieren und Ausflugsproviant. Für sie ist dies ein schöner Tagesausflug an einem sonnigen Tag. Für uns auch, und doch viel mehr. Noch ein sehr komisches Gefühl, dass das jetzt unser Leben sein sollte. Das braucht wohl noch eine Weile, um sich in unseren Köpfen festzusetzen. Den Pfäffikersee erreichten wir im schönsten Abendlicht und sprangen gleich wieder ins Wasser, bevor wir uns einen Platz im Grünen zum Übernachten suchten.

Pfäffikersee im Abendlicht
Pfäffikersee im Abendlicht

Am nächsten Tag ging es dann weiter durchs Zürcher Oberland im Zickzackkurs bis nach Rapperswil und über den Seedamm bei schönstem Wetter zu Darios Grosseltern und Tante auf ein wohltuendes Mittagessen. Frisch gestärkt ging es bei brütender Hitze durch die öde Linthebene in Richtung Walensee. Genau hier holte uns der erste Platten ein. Kein Schatten weit und breit. Der erste Test für unsere Nerven. Aber wir hatten alles Nötige dabei und machten uns bald wieder auf den Weg in Richtung Murg auf den Campingplatz. Die steilen Ufer des Walensee führen dazu, dass leider auch der Fahrradweg nicht direkt gemütlich am Ufer entlanggeht, sondern in teilweise ziemlich steilen Anstiegen dem See entlangführt. Wir entschieden uns spontan, den nächsten Sommertag am Walensee zu verbringen und anstatt weiter zu radeln zu baden. Denn was gibt es Schöneres als früh morgens, in den See zu springen? Das Wasser ist noch ganz glatt und ruhig, ohne Boote und Menschen. Ein tolles Gefühl, so nah am Wasser zu übernachten.

Wir kamen schon etwas in den Ferienmodus und vergassen dabei komplett, dass am Schweizer Nationalfeiertag am 1. August die Geschäfte geschlossen sind. Daher mussten wir noch schnell nach Walenstadt fahren für einen letzten Grosseinkauf in der Migros. Am Abend bekamen wir dann spontan Besuch von Lukas, Lisas ehemaligem Arbeitgeber, und hatten mit ihm unseren letzten Abschied in der Schweiz. Ein letzter Sprung ins Wasser vor unserer Abreise und dann ging es los in Richtung Berge über das Rheintal ins Bündnerland.

Eine torkelige Gegend

Das Bündnerland begrüsste uns mit 39° Grad Hitze und einigen Steigungen zu den Bündner Herrschaften, eine Region bekannt für ihre Weine und Weinkeller (Torkel). Wir konnten es nicht lassen und probierten natürlich auch den Ortswein beim Mittagessen und genossen die Fahrt durch die malerischen Dörfer Maienfeld, Jenins und Malans. Doch die Temperaturen machten uns zu schaffen und wir nützten jeden Brunnen für eine Abkühlung. Wo bleiben heute bloss die Seen? Zum Glück begann es zu regnen und es wurde merklich kühler. Wir erreichten unser Tagesziel Thusis ziemlich erschöpft und voller Respekt vor dem morgigen Tag. Nun gab es kein Herauszögern mehr, morgen werden wir über den Albulapass fahren.

Über den Albulapass ins Engadin

Wir hatten ja schon mehrere Radtouren gemacht und auch ein paar Pässe bezwungen, aber keiner war so hoch wie der Albulapass auf 2315 m.ü.M. Würden wir das überhaupt schaffen in einem Tag? Ist es wichtig, es zu schaffen? Schliesslich haben wir ja Zeit und keinen Druck. Doch der Ehrgeiz war dann trotzdem da, es irgendwie über den Pass zu schaffen. Spoiler vorneweg – wir schafften es auf den Pass, aber nicht mehr herunter.

Wir verliessen das Domleschg mit seinen zahlreichen Burgen, fuhren entlang der Viamala-Schlucht hoch zur Solis-Brücke und durch mehrere Tunnels hindurch immer weiter bis nach Tiefencastel, einen sehr verschlafenen Ort im Tal. Danach ging weiter das Tal hinauf bis wir uns steil ins sehenswerte Bergün hoch quälen mussten. Wir waren bereits ziemlich kaputt und die Wolken zogen immer mehr zu und es wurde Regen angesagt für den Nachmittag. Wir gönnten uns ein grosses Mittagessen und fuhren weiter hoch in den Weiler Preda. Die wenigen Häuser sind nur in den Sommermonaten bewohnt, im Winter mutiert die Passstrasse zu einer bekannten Schlittelpiste. Zahlreiche Viadukte prägen diesen spektakulären Abschnitt der Albulabahn, mit der wir schon mehrmals gefahren sind.

Danach wurde die Landschaft sehr einsam. Teilweise noch sehr bewaldet und voller blühender Wiesen, dann immer steiniger und karger. Unterwegs lag der sehr schöne Bergsee Lai da Palpuogna, ein idealer Zwischenstopp. Doch unsere Beine hatten fast keine Kraft mehr, um zum See herunterzulaufen. Nun wollten wir nur noch hoch auf den Pass und die Wolken zogen immer mehr zu und es begann zu tröpfeln. Und dann nach den letzten steilen Kurven war es soweit – wir erreichten den Albulapass nach 1930 Höhenmetern.

Wir gönnten uns ein Bier im Albula Hospiz und beschlossen gleich hier die Nacht zu verbringen in dieser besonderen abgelegenen Gegend. Das einfache Hospiz liegt umgeben von diversen Wanderwegen und bietet gemütliche Zimmer und eine gute Küche. Der perfekte Ort, um unsere lädierten Beine am nächsten Tag zu erholen und eine kurze Wanderung über die Hochebene und durch die Nebelschwaden zu unternehmen.

Nach den sonnenverwöhnten superheissen ersten Tagen fühlen wir uns nun nach dem Wetterwechsel mit Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt doch in eine andere Jahreszeit und andere Weltgegend versetzt und freuen uns, dass die nächsten Tage wieder sommerlichere Temperaturen angesagt sind. Morgen geht es endlich runter ins Engadin und durchs Unterengadin über den Ofenpass ins Val Müstair. Aber dazu mehr im nächsten Bericht.


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