Georgien Teil 5: Radreise in die schwer zugängliche Bergregion Tuschetien
Zeitreise in eine der entlegensten Regionen Europas (30)
Schwere Wolken hangen über den dichten Wäldern und wir schieben unsere Räder fluchend und schwer atmend voran, jeder Meter gleicht einem Kampf und plötzlich sind sie vor uns: Dutzende Schafe erscheinen aus dem Nebel, begleitet von Hirten mit ihren Pferden. Sie kehren zurück ins Tal, nachdem sie einen Sommer in der Bergregion Tuschetien verbrachten. Sie benötigen mehrere Tage für die anstrengende Reise entlang einer der gefährlichsten Strassen der Welt, jederzeit dem launischen Wetter ausgesetzt und ständig darauf achtend, dass keines der Schafe einen falschen Tritt macht.
Wir trauen unseren Augen nicht, es wirkt wie ein Bild aus vergangenen Zeiten. Sind wir wirklich hier, ist das noch real? Wir gucken uns an und spüren, die ganze Anstrengung ist es wert. Nur noch 2000 Höhenmeter liegen vor uns und dann erreichen wir tatsächlich mit unseren Fahrrädern Tuschetien, eine der entlegensten Regionen Europas.
Es ist unser erster Tag auf dem Weg vom Pankisi-Valley nach Tuschetien, insgesamt werden wir drei Tage brauchen für die gerade mal 72 Kilometer von der kachetischen Ebene bis nach Omalo, dem Tor nach Tuschetien. Doch wieso kommen wir überhaupt auf die Idee solch eine lange und nervenauftreibende Anfahrt auf uns zu nehmen? Wie immer wird irgendwann unbewusst der Funke für eine Idee gezündet, in einem Moment, in dem man oft noch gar nicht weiss, welchen Einfluss diese später auf einem haben wird. So war es auch mit Tuschetien. Lisa guckt gerne Dokus, sehr gerne sogar und sehr oft. Und irgendwann sah sie zwei Reportagen über Tuschetien und wusste, dieses gefühlte Ende der Welt möchte sie mit eigenen Augen sehen. Und sobald wir mit Georgiern über unser Reiseziel sprachen, kamen sie gleich ins Schwärmen und diejenigen, die bereits dort waren, bezeichneten Tuschetien als «Himmel auf Erden». Doch bevor es für uns los geht, möchten wir euch diese besondere Region kurz vorstellen.
Die Bergregion Tuschetien: Eine Gegend, die nur ein paar Monate im Jahr geöffnet hat
Tuschetien bildet der nördliche Teil der Region Kachetien und grenzt im Norden an die russischen Republiken Tschetschenien und Dagestan. Die alpine Berglandschaft ist ein Paradies für Naturliebhaber, Reiter und Wanderer und trotz der Höhe sind die Berge sanft geschwungen und zerschnitten von dicht bewaldeten Tälern mit Flüssen. In den kleinen Bergdörfern befinden sich noch alte Wehrtürme, die an die kriegerische Vergangenheit erinnern und die artenreichen Wälder und Wiesen sind Lebensraum für viele seltene Tierarten. Und auch wenn die Landschaft wahrlich spektakulär ist, so reizte uns gleichermassen das Leben der Menschen vor Ort, denn Tuschetien ist nur im Sommerhalbjahr zugänglich und wir wollten mit eigenen Augen sehen, wie es ist dort zu leben.
Jahrhundertelang lebten die Einwohner Tuschetiens, die Tuschen, das ganze Jahr hier oben, in Einklang mit der Natur und den Bergen und abgeschnitten vom Rest Georgiens. Erst im 19. Jahrhundert entstanden die dauerhaften Tuschen-Siedlungen Zemo Alvani und Kvemo Alvani im Tal unten und aufgrund von Erdrutschen und Pandemien wurden die Tuschen gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen und ins Tal zu ziehen. Zudem hatte die sowjetische Regierung Interesse daran, die Bevölkerung im Tal sesshaft zu machen, wohl zur besseren Kontrolle. In den 70er Jahren entschied die georgische Regierung, Tuschetien wieder zu besiedeln und es wurden den Tuschen erlaubt, in ihre Dörfer zurückzukehren. Der Pfad wurde zu einer Strasse ausgebaut und Strommasten aufgestellt. Die Tuschen behielten eine starke Verbindung zu den Bergdörfern und kommen nun jedes Jahr nach der Schneeschmelze über den Pass zurück in die Dörfer und renovieren die Häuser ihrer Vorfahren.
Nur eine einzige unberechenbare und unbefestigte Strasse verbindet Tuschetien mit dem Rest des Landes. Die abenteuerliche Strasse ist nur von Anfang Juni bis Mitte Oktober befahrbar und jedes Frühjahr muss die Strasse neu instand gesetzt werden, den oft reissen Erdrutsche Teile des Weges in die Tiefe. Den Rest des Jahres ist Tuschetien von der Welt abgeschnitten und nur mit dem Helikopter erreichbar. Lediglich eine Handvoll Menschen bleibt hier und verbringt den harten Winter in den Bergen.
Falls ihr euch nun auch einen ersten Eindruck über Tuschetien verschaffen möchtet, empfehlen wir euch diese beiden sehenswerten Dokus:
Und wie ihr euch nun sicher vorstellen könnt, brauchte es nicht viel, um Dario von einer Reise nach Tuschetien zu überzeugen. Da die gefährliche Schotterstrasse über steile Serpentinen ohne Leitplanken über den 2826 m hohen Abano Pass führt, schien es uns sicherer, die Reise mit dem Fahrrad zu machen statt mit einem georgischen Fahrer in einem Jeep.
Die anstrengendste Etappe unserer bisherigen Reise
Wir beschlossen also den höchsten Pass unserer Reise mit dem Fahrrad zu erklimmen und dies aus zwei Gründen: Es schien uns sicherer und zusätzlich können wir durch die lange Anreise mit dem Rad ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie abgeschieden Tuschetien wirklich ist. Was uns jedoch überhaupt nicht reizte, war der ganze sportliche und anstrengende Aspekt dieses Unterfangens.
Vom Pankisi-Valley aus fahren wir ins Dorf Pshaveli, dem letzten Dorf vor der holprigen Passstrasse. Hier möchten wir nochmals unsere Vorräte aufstocken und Geld abheben, denn in Tuschetien gibt es keinen Supermarkt und Bankomaten. Doch Pshaveli stellt sich auch als ziemlich kleines Nest heraus mit wenig Infrastruktur. Netterweise fährt uns ein hilfsbereiter Einheimischer zurück in den letzten grösseren Ort, wo wir Geld abheben und genügend Schokolade und Snacks für die anstrengende Reise einkaufen können. Der nette Mann macht dies kostenlos und als wäre das noch nicht genug, schenkt er uns obendrauf noch eine riesige (und naturgemäss schwere) Melone aus seinem Garten. Wir nehmen das Geschenk dankend an und schmunzeln, sind doch Melonen so ziemlich die unpraktischsten Lebensmittel für Radreisende vor einer Bergetappe, ausser man verzehrt sie gleich.
Leider ist das Wetter genauso unberechenbar wie der Zustand der Strasse und während unserem ersten Tag der Anfahrt begleiten uns Regen und dichter Nebel. Die Strasse führt uns durch ein bewaldetes Flusstal zuerst leicht bergauf, danach wird es immer steiler. Wir merken, wir haben zu viel Gepäck dabei für diese Strasse und wir müssen alle paar Meter absteigen und unsere Räder schieben und kommen dabei fast nicht vorwärts, sondern verlieren lediglich Energie. Es ist eine frustrierende Situation für uns.
Es gibt nur eine sinnvolle Übernachtungsmöglichkeit auf dem Weg zum Pass und wir wissen daher genau, dass wir am ersten Tag auf 1800 m hoch fahren müssen, doch bereits 400 Höhenmeter tiefer sind wir so am Anschlag von der ganzen Schieberei, dass wir langsam zweifeln, ob wir es überhaupt viel weiter hoch schaffen. Haben wir uns zu viel zugemutet? Ein Jeep voller polnischer Touristen hält an und sie fragen, ob sie uns helfen können. Wir bitten sie kurzerhand, unser Gepäck bis zum angepeilten Zeltplatz zu bringen und dort zu lassen. Sie sagen sofort zu und wir können nun wieder beschwingt(er) weiterfahren. So ohne Gepäck ist die Strasse plötzlich wieder fahrbar, wenn auch immer noch anstrengend genug. Wir erreichen den Abzweiger zu den heissen Quellen von Torgva in der Dämmerung und sehen schon von weitem unser Gepäck, es hat geklappt. Die warmen Heilquellen liegen in der Mitte zwischen dem Ort Pshaveli und dem Abano Pass und sind somit ideal für alle Radfahrer, die nach Tuschetien möchten. Denn was gibt es besseres nach einem Tag bergfahren, als sich in einer heissen Quelle in einem einfachen Badehaus mit Aussicht zu entspannen? Neben den Quellen befindet sich ein rustikales Haus mit durchgelegenen Betten. Die abgelegene verlassene Hütte hat zwar etwas Unheimliches, doch sind wir froh, dass wir am Boden unsere Schlafmatten ausbreiten und im Trockenen schlafen können. Und noch viel dankbarer sind wir, zu zweit an diesem gespenstischen Ort zu übernachten.
Am nächsten Morgen geniessen wir nochmals ein warmes Bad und kurz darauf lichtet sich der Himmel und wir erhaschen einen kurzen Blick auf die Berge um uns und sehen wie schön es hier oben eigentlich wäre. Frohen Mutes fahren wir los und es geht leider genau so steil weiter wie am Vortag. Ein Mann bietet uns seine Hilfe an und fragt, ob er uns bis nach oben auf den Pass mitnehmen soll. Wir wechseln einen Blick und entscheiden spontan, unser Gepäck wieder mitzugeben und machen uns nun voller Energie an die letzten bevorstehenden 1000 Höhenmeter. Ja, wir haben schon wieder geschummelt. Der Nebel lichtet sich und je weiter oben wir sind, umso mehr sehen wir von der Umgebung und die ist einfach fantastisch. Wir blicken auf grasbewachsene Hügel, die sanft auf 3000 Meter ansteigen und tiefe Täler, die von Wasserfällen durchzogen werden. Mitten in dieser epischen Landschaft verläuft ein schmaler Streifen, die unbefestigte Strasse, die seit 1978 nach Tuschetien führt und regelmässig durch Erdrutsche und Überschwemmungen unpassierbar wird. Immer wieder kommen wir an Gedenktafeln für die zahlreichen Unfallopfer vorbei und fühlen uns plötzlich ganz klein inmitten dieser archaischen Bergwelt, in welcher die Naturgewalt so unmittelbar spürbar ist.
Hungrig und ausgelaugt erreichen wir nach zwei Tagen den Abano Pass, den höchsten befahrbaren Pass Georgiens. Und wir treffen auch wieder auf den hilfsbereiten Mann, der unser Gepäck nach oben brachte. Er hat die letzten Stunden extra auf uns gewartet, um es uns persönlich zu übereichen. Wir sind mal wieder sprachlos ab der unglaublichen Gastfreundschaft, die uns auf dieser Reise immer wieder zuteil wird. Wir bereiten uns ein Mittagessen zu und geniessen die Aussicht auf die schneebedeckten Berge Russlands in der Ferne. Wir haben es tatsächlich geschafft, wir sind in Tuschetien. Und wir müssen zugeben, wir sind schon etwas stolz auf unsere Leistung, auch wenn wir nicht die ganze Etappe mit dem gesamten Gepäck gefahren sind. Wie gerne hätten wir auf die bisher anstrengendste Etappe unserer Reise angestossen, doch wir halten uns zurück. Wir haben zwar eine Flasche Wein hier hochgeschleppt, aber die muss noch warten bis wir in Omalo sind.
Schönes Wiedersehen in Omalo
Omalo (2050 m) ist das Verwaltungszentrum von Tuschetien und befindet sich auf einer flachen Ebene. Einige Dutzend Häuser liegen hier verstreut und dazwischen laufen Hühner und Pferde herum. Junge Männer hacken im Garten Holz, die Bauern treiben hoch zu Ross ihre Kühe auf die Weide und im Garten wird die Wäsche noch im Zuber gewaschen. Es hat einen kleinen Kiosk mit Restaurant, der bei Einheimischen wie Touristen sehr beliebt ist. Wir setzen uns und trinken unser wohlverdientes Bier und neben uns sitzen einige Einheimische, die bereits ziemlich angetrunken sind. Und auch wenn sie nicht mehr richtig aufstehen können, so schwingen sie sich völlig selbstsicher auf ihre Pferde und reiten davon, denn reiten geht für die Tuschen wohl immer. Willkommen in einer anderen Welt.
Die Menschen in Tuschetien sind grösstenteils Hirten und leben von den Erzeugnissen der Schafszucht und stellen den besonderen tuschetischen Käse her. Einige haben die Häuser ihrer Vorfahren auch ausgebaut und bieten einfache Übernachtungsmöglichkeiten für abenteuerlustige Touristen an. Doch in der Zwischenzeit wurde das erste Luxushotel mit Swimmingpool oberhalb von Omalo eröffnet und wir hoffen insgeheim, dass die Strasse über den Pass nicht geteert wird und der Massentourismus nicht in dieser urtümlichen Region Einzug hält.
Nach drei Tagen Anreise freuen wir uns unglaublich auf unser Bett im Gästehaus und auf eine Dusche. Am Abend geniessen wir den Ausblick von der grosszügigen Terrasse und das leckere Essen direkt aus dem Garten. Und es kommt noch besser, wir treffen wieder auf unsere neuen Radfreunde Nicole und Beni (https://kommt-zeit-kommt-rad.ch), die sich vor einigen Tagen nach Omalo hoch gekämpft haben. Und mit ihnen zusammen öffnen wir endlich unseren Rotwein aus Tbilisi, denn sie haben sich auf dem Abano Pass oben verlobt und wir freuen uns sehr mit den beiden und an dieser Stelle nochmals herzliche Gratulation! Natürlich darf auch der hausgemachte Chacha nicht fehlen und wie immer gilt: das erste Glas brennt, das zweite wärmt. Gaumarjos!
Das Pirikita-Tal mit dem malerischen Dorf Dartlo
Tuschetien besteht aus insgesamt vier Tälern und wir haben voraussichtlich nur vier Tage lang schönes Wetter. Somit stehen wir vor einer Entscheidung: Verbringen wir einen Tag mehr in Omalo und fahren dann alles wieder zurück, damit wir nicht bei schlechtem Wetter am Abano Pass oben sind oder erkunden wir mehr von Tuschetien und lassen uns dafür den Pass hochfahren und kürzen etwas ab?
Ihr ahnt es schon, wir entscheiden uns für die zweite Variante. Auch wenn uns Omalo und vor allem das hübsche Oberdorf Zemo Omalo mit der Festung gut gefallen, so möchten wir noch mehr von dieser Bergwelt sehen. Wir verabschieden uns von Nicole und Beni und fahren entlang von Lerchen- und Birkenwäldern ins Pirikita-Tal bis zum kleinen Dorf Dartlo.
Das Festungsdorf Dartlo mit seinen dunklen Wehrtürmen ist für uns das schönste Dorf in Tuschetien. In dem zauberhaften Ort finden sich traditionelle schiefergedeckte Steinhäuser, die mit staatlicher Hilfe restauriert wurden. Und wenn man eine Stunde hoch wandert, erreicht man die Ruinen der Festung Kvavlo, die eine herrliche Aussicht auf Dartlo und die umliegenden schroffen Täler bietet. Zuoberst auf dem Hügel befindet sich ein tuschetisches Heiligtum, ein Turm aus Schieferstein. Diese heidnischen Heiligtümer aus der vorchristlichen Zeit dürfen von Frauen nicht betreten werden, da sie nach dem tuschetischen Weltbild sonst das kosmische Gleichgewicht aus dem Einklang bringen würden. Das möchten wir natürlich nicht verantworten, doch wirklich nachvollziehen können wir diese Regel nicht.
Was uns jedoch beeindruckt ist die Verbundenheit der Tuschen mit ihrer Heimatregion und den Bergen. In jedem Sommer kommen sie aus der ganzen Welt zurück nach Tuschetien, um gemeinsam die traditionellen Feste zu feiern und jedes Jahr übernimmt eine andere Familie die Gastgeberrolle. Irgendwie schön so eine starke Verbindung zur Heimat zu haben. Bestimmt hat diese gewaltige Berglandschaft auch einen Einfluss auf das Zusammenleben, denn ohne ein Miteinander geht es hier nicht und dadurch bekommt Zusammenhalt eine ganz andere Bedeutung. Es muss schön sein für die Städter, jeweils im Sommer zurückzukehren in dieses einfachere Leben hier oben, fern ab von Hektik und Stress.
Die Sache mit dem Karma am gefühlten Ende der Welt
Gibt es eine Steigerung von Abgeschiedenheit? Wir denken schon und die Antwort heisst Girevi. Von Dartlo aus führt eine Schotterstrasse bis nach Girevi, aber danach geht es nur noch zu Fuss weiter. Auf unserer Fahrt treffen wir einige Wanderer, die über den Atsunta Pass weiter bis nach Shatili wandern. Dies muss eine der schönsten Wanderrouten Georgiens sein und ist definitiv ein Grund, um nochmals zurück zu kommen. Doch auch bereits mit dem Fahrrad ist die Strecke bis nach Girevi einfach fantastisch.
Immer wieder müssen wir reissende Bäche oder wackelige Brücken überqueren. Normalerweise eigentlich auch kein Problem, doch diesmal geht es schief und Lisa verliert ihre Trekkingsandalen in einem reissenden Bach, der weiter unten in den Fluss mündet. Dario ist flink genug, noch eine Sandale zu retten, doch die zweite ist verloren. Wir verbringen eine halbe Stunde mit der Suche und geben dann auf, es ist chancenlos bei dieser Strömung. Zähneknirschend und fluchend wechselt Lisa in ihre Flip-Flops, kein ideales Schuhwerk für diese Etappe. Die übrig gebliebene Sandale wird mitgenommen, damit wir sie dann später im Tal entsorgen können.
Die wunderschöne Landschaft kann die Stimmung leider auch nicht bessern und dann beginnt es auch noch zu tröpfeln. Zum Glück sind wir gerade bei einem kleinen Kiosk und bestellen aus Frust etwas zu essen und warten den Regen ab. Plötzlich hält ein Jeep an und ein Mann kommt auf uns zu mit einer nassen Sandale in der Hand. Eigentlich kann so was nicht passieren, oder doch?
Die Sandale wurde anscheinend in den reissenden Fluss gespült und eine Gruppe Touristen hat den Schuh wohl geistesgegenwärtig aus dem Fluss geholt und gefragt, wem dieser gehören könne. Jemand wusste, dass wir einen Schuh verloren haben, als er uns beim Bach suchen sah und beauftragte jemand anderes, weiter ins Tal hineinzufahren und die Sandale den beiden Radreisenden zu bringen. Und so steht der Mann nun lächelnd vor uns und erzählt uns diese Geschichte, als sei es völlig selbstverständlich. Wir gucken uns an und können es kaum fassen, damit hätten wir definitiv nicht gerechnet. Vielleicht doch gut haben wir das kosmische Gleichgewicht nicht durcheinandergebracht.
Die Fahrt bis nach Girevi erscheint uns wie eine Reise in eine längst vergangene Zeit. Wir sehen Dörfer mit mittelalterlichen Wehrtürmen, vorchristliche Kultstätten und zwischendurch sogar Pferde, die Holz transportieren und dann kommen wir an in Girevi, dem gefühlten Ende der Welt. Die Wanderer übernachten hier vor der Passüberquerung und wir stellen unser Zelt am Fluss auf, umgeben von einer eindrucksvollen Bergkulisse und staunen ab dem klaren Sternenhimmel. Wir verbringen zwei Tage in dieser Gegend und geniessen die atemberaubende Natur und das schöne Wetter.
Danach geht es für uns wieder zurück nach Dartlo, wo bereits der Jeep auf uns wartet, der uns den Pass hochbringt. Und auch wenn wir gerne alles gefahren wären, so sind wir froh, dass wir die wenigen schönen Tage nutzen konnten, um mehr von Tuschetiens Natur zu sehen und das traumhafte Pirikita-Tal zu besuchen.
Die Fahrt mit dem Jeep auf den Abano Pass dauert nur drei Stunden, fast schon etwas zu schnell für unser Empfinden. Wir wären gerne noch länger in Tuschetien geblieben, denn diese ursprüngliche Bergregionen hat uns zutiefst beindruckt und wir hätten gerne noch mehr davon gesehen. Auf der Rückfahrt merken wir, wie sehr der Herbst bereits in dieser kurzen Zeit Einzug gehalten hat. Nur 1.5 Wochen später führte ein Wetterumschwung dazu, dass die Strasse nach Tuschetien nicht mehr passierbar war und zahlreiche Einheimische und Touristen mit dem Helikopter evakuiert werden mussten. Wir schaffen es noch rechtzeitig runter ins Tal und machen uns auf zu unserem nächsten Reiseziel, dem Vashlovani-Nationalpark, den wir zusammen mit Nicole & Beni erkunden werden. Doch dazu mehr im nächsten Reisebericht.
Kaum zu glauben, dass es so schöne Landschaften gibt, mit all diesen
Einflüssen wie Wetter, Begegnungen mit Einheimischen und Tieren.
Es ist wirklich spannend und interessant Eure Berichte zu lesen.
Liebe Grüsse Susanne u. William
Vielen herzlichen Dank. Tuschetien gehört tatsächlich zu den landschaftlichen Highlights der bisherigen Reise und besonders auch die Anreise mit dem Rad liess uns wortwörtlich erfahren, wie abgelegen die Menschen hier wirklich leben. Bald veröffentlichen wir unser Video zu dieser Etappe.